Schwenken eines Filetiermessers – außerordentliche Kündigung?

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (5 Sa 5/23) hat eine entsprechende außerordentliche, fristlose Kündigung für unwirksam erklärt.

Das Hantieren mit einem scharfen Filetiermesser sei nicht als eine Bedrohung anzusehen. Auch der unsachgemäße Gebrauch könne eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung nicht rechtfertigen. Die Entscheidung ist ein Paradebeispiel für die notwendige umfangreiche Sachverhaltsaufklärung vor Ausspruch einer Kündigung und die stets vorzunehmende Einzelfallbewertung im Arbeitsrecht.

Der Fall

Strittig war die Wirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung und einer hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der Kläger war bei der Beklagten ca. vier Jahre als Industriemechaniker beschäftigt. Der Kläger war zusammen mit einer Kollegin am sog. Probierstand tätig, wo auch ein Filetiermesser eingesetzt wurde. Der Kläger soll der Kollegin das Filetiermesser mit einer Klingenlänge von 20 cm mit einem Abstand von 10-20 cm an den Hals gehalten haben. Die Kollegin sei geschockt gewesen. Sie habe dem Kläger gesagt, dieser solle das Messer wegnehmen, was dieser auch getan habe.

Der Kläger behauptete, er habe der Kollegin keine Messerklinge an den Hals gehalten, jedenfalls habe er keine schwere Verletzung in Kauf genommen. Auch einen Bedrohungsvorsatz habe er nicht gehabt. Die Beklagte hat die Kündigung für gerechtfertigt gehalten. Selbst wenn eine strafrechtlich relevante Bedrohung gemäß § 241 StGB nicht nachweisbar sei, läge eine schwere Pflichtverletzung vor. Das Verhalten des Klägers hätte die Kollegin schwer verletzen können.

Erstinstanzlich hat der Kläger Recht bekommen.

Die Entscheidung

Das LAG hat nun ebenfalls zugunsten des Klägers entscheiden. Der von der Beklagten geschilderte Sachverhalt belege keine derart schwere Pflichtverletzung, dass ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche, fristlose Tatkündigung möglich sei. Zwar komme eine ernstliche Drohung mit Gefahren für Leib oder Leben „an sich“ als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB in Betracht. In dem vorliegenden Fall könne aber nicht von einem Bedrohungs- oder Gefährdungsvorsatz ausgegangen werden.

Nach dem LAG könnten auch alternative Geschehensabläufe in Betracht kommen. So sei es auch möglich, dass der Kläger sich schlicht mit dem Messer in der Hand mit dem Oberkörper zu der Kollegin gedreht habe und bei dieser Drehung das Messer nah an den Hals von ihr gelangt sei. Zugunsten des Klägers sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass er das Messer sofort gesenkt habe, als die Kollegin dies forderte. Zwar bleibe der unsachgemäße Umgang mit dem Messer eine Pflichtverletzung, jedoch hätte diese abgemahnt werden müssen.

Auch eine wirksame Verdachtskündigung verneint das LAG. Es liege kein dringender Verdacht einer strafbaren Handlung oder schwerwiegenden Vertragsverletzung vor. Die Beklagte war selbst nicht von einer strafrechtlich relevanten Bedrohung im Sinne von § 241 StGB ausgegangen. Der Tatverdacht stützte sich daher nur auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Diese mögliche Pflichtverletzung sei indes nicht gravierend genug, wenn man davon ausgehe – wie das LAG -, dass der Kläger das Messer nur fahrlässig an den Hals seiner Kollegin geführt haben könnte.

Das Fazit

Die Entscheidung des LAG entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BAG. Die Beklagte hat es im vorliegenden Fall unterlassen, die notwendige Sachverhaltsaufklärung vor Ausspruch einer Kündigung vorzunehmen. In der Praxis scheitert die Wirksamkeit einer Kündigung häufig schon daran, dass nicht nach alternativen Geschehensabläufen geforscht wird, die den Kläger entlasten könnten. Dies ist im Rahmen der knappen Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB regelmäßig auch schwierig. Die vorliegende Entscheidung zeigt jedoch nochmals eindrücklich, dass trotz knappen Fristen die Personalabteilungen der Unternehmen aufgefordert sind, den Sachverhalt vollständig aufzuklären. Ist der Sachverhalt vollständig aufgeklärt, ist sodann zu beachten, dass es eben nicht den „immer gültigen“ Kündigungsgrund gibt. Stets ist der Einzelfall zu bewerten. All dies zeigt, dass bei Bekanntwerden einer Pflichtverletzung die Unternehmen geraten (und verpflichtet) sind, unverzüglich tätig zu werden. Anzuraten ist auch, insbesondere bei umfangreichen bzw. schwierigen Sachverhalten, frühzeitig fachlich fundierte Beratung in Anspruch zu nehmen.

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Stephan Hinseln

Stephan Hinseln

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