Kein Equal Pay für Leiharbeiter

Leiharbeiter dürfen für dieselbe Arbeit schlechter bezahlt werden als Stammarbeitnehmer des entleihenden Unternehmens, so das BAG (v. 31.05.2023 – 5 AZR 143/19). Tarifverträge dürfen demnach vom Gleichstellungsgrundsatz des Equal Pay abweichen.

Der Fall

Die Parteien stritten um die Differenzvergütung zu den Stammarbeitnehmern.

Die Klägerin war befristet für ein Jahr bei der Beklagten als Leiharbeitnehmerin mit einem Stundenlohn von 9,23 € brutto beschäftigt. Im Streitzeitraum war sie einem Einzelhandel als Kommissioniererin überlassen worden. Vergleichbare Stammarbeitnehmer bekamen 13,64 € brutto für dieselbe Arbeit.

Die Beklagte fiel unter einen Tarifvertrag, der eine Abweichung von dem in § 8 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) enthaltenden Gleichstellungsgrundsatz in Form einer geringeren Vergütung vorsah.

Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass durch die ungleiche Behandlung zu Stammarbeitnehmern der Gleichstellungsgrundsatz des § 8 Abs. 1 AÜG nicht gewahrt sei. Auch seien solche Tarifverträge nicht mit der europäischen Leiharbeitsrichtlinie (RL 2008/104/EG) vereinbar, da der dort in Art. 5 Abs. 1 vorgeschriebene Gesamtschutz für Leiharbeitnehmer nicht geachtet werde. Mit ihrer Klage verlangt sie eine Differenzvergütung von 1.296,72 € brutto.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das BAG hatte den Fall dem EuGH vorgelegt. Dieser hielt in seiner Entscheidung (v. 15.12.2022 – C-311/21) fest, dass Leiharbeitnehmer bei Anwendung eines Tarifvertrages schlechter bezahlt werden dürfen, wenn für diese Ungleichbehandlung selbiger Tarifvertrag gleichwertige Ausgleichsansprüche – etwa die Gewährung zusätzlicher Freizeit – vorsieht.

Die Entscheidung

Das BAG hat die Revision der Klägerin nun als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, also auf ein Arbeitsentgelt, wie es vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhielten. Aufgrund des wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit auf das Leiharbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifwerks (hier: iGZ und ver.di) sei die Beklagte nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AÜG nur verpflichtet gewesen, die tarifliche Vergütung zu zahlen. Dieses hier speziell vorliegende Tarifwerk genüge, jedenfalls im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer, den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Leiharbeitsrichtlinie. Das hier gegebene Tarifwerk gewährleiste die Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten. Außerdem habe der deutsche Gesetzgeber mit § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG für den Bereich der Leiharbeit zwingend sichergestellt, dass Verleiher das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten uneingeschränkt tragen, weil der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 BGB, der an sich abdingbar sei, im Leiharbeitsverhältnis nicht abbedungen werden könne. Auch habe der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten dürfe. Zudem sei seit dem 01.04.2017 die Abweichung vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG zeitlich grundsätzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt. Daher sei die Klägerin ausreichend kompensiert und ihr komme ein gesetzlich ausreichender Schutz zu, sodass sie keinen Anspruch auf Zahlung der Differenzvergütung haben könne.

Das Fazit

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Es schafft Rechtssicherheit und bestätigt die grundsätzliche Praxis. Auch in Zukunft kann die Leiharbeit damit als praktikables, flexibles Werkzeug der Personaleinsatzplanung eingesetzt werden. Die Parteien können sich aufgrund der Entscheidung darauf verlassen, dass die jeweils geltenden Tarifwerke angewendet werden können. Die Entscheidung stärkt letztlich auch die Tarifautonomie, da das BAG einer etwaigen Inhaltskontrolle des geltenden Tarifwerkes eine Absage erteilt hat. Sichergestellt werden muss lediglich, dass im Falle einer Ungleichbehandlung bei der Vergütung gleichwertige Ausgleichsansprüche dem Leiharbeitnehmer zustehen. Dies ist bei dem für die Leiharbeitsbranche geltenden Tarifvertrag von iGZ und ver.di zusammen mit den sowieso bestehenden gesetzlichen Schutzvorschriften der Fall. Ein ausreichender Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer ist gegeben.

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Stephan Hinseln

Stephan Hinseln

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