Die Schulung von Betriebsräten – Reichen Webinare nicht aus?

Nicht zuletzt seit Corona sind Online-Meetings oder das Arbeiten aus dem Homeoffice „business as usual“. Immer öfter wird sogar die Forderung auf ein Recht auf Homeoffice durch Gewerkschaften, Betriebsräte und einzelnen Arbeitnehmer*innen laut. Begründet wird dies dann auch damit, dass die Arbeitsqualität unter einer Tätigkeit fernab der Büroräumlichkeiten nicht leide. Dem folgend sollte man doch meinen, dass Fortbildungen und Schulungen für Betriebsräte in Präsenz schlichtweg überholt, weil nicht unbedingt erforderlich, seien.

Nicht so das Bundesarbeitsgericht (BAG). Dieses hat mit Beschluss vom 07.02.2024, Az. 7 ABR 8/23, entschieden, dass der Arbeitgeber auch dann Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar zu tragen hat, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet. Bislang liegt nur die Pressemitteilung vor.

DER FALL

Die Arbeitgeberin ist eine Luftverkehrsgesellschaft mit Sitz in Düsseldorf. Bei ihr ist durch Tarifvertrag eine Personalvertretung (PV) für die Beschäftigten des Kabinenpersonals gebildet. Die Personalvertretung beabsichtigte zunächst zwei ihrer Mitglieder zu dem Seminar „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ für drei Tage in das schöne Urlaubsörtchen Binz auf Rügen zu entsenden. Der Arbeitgeber war – wenig verwunderlich – nicht begeistert und bat die PV aus Kostengründen ein Seminar in der Nähe oder ein Webinar auszusuchen. Die PV teilte der Arbeitgeberin schließlich mit, dass man sich für ein Seminar in Potsdam – immerhin 500 EUR günstiger als das entsprechende auf Rügen – entschieden habe.

Die Arbeitgeberin zahlte die Seminargebühr, verweigerte aber die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Dies begründete sie vor allem damit, die Mitglieder der PV hätten an einem zeit- und inhaltsgleich angebotenen mehrtägigen Webinar desselben Schulungsanbieters teilnehmen können. Die PV hingegen vertrat die Auffassung, dass sie sich wegen der gem. § 37 Abs. 6 BetrVG notwendigen Schulungen ihrer Mitglieder nicht auf ein Webinar verweisen lassen müsse. Mitglieder der PV hätten aufgrund der Corona-Pandemie seit März 2020 an mehreren Webinaren teilgenommen. Die Erfahrungen der Mitglieder der PV zeigten, dass aufgrund der völlig anderen Schulungssituation die in den Webinaren vermittelten Inhalte nicht so intensiv behandelt werden könnten und letztlich der Lernerfolg nicht so gut sei, wie in Präsenzveranstaltungen. Überdies sei der Austausch zwischen den Teilnehmern und den Referenten bei Webinaren deutlich erschwert.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat dem Antrag der PV auf Freistellung von Schulungskosten stattgegeben (Beschluss vom 17.11.2021 – 10 BV 126/21). Die von der Arbeitgeberin vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingelegte Beschwerde blieb erfolglos (Beschluss vom 24.11.2022 – 8 TaBV 59/21).

DIE ENTSCHEIDUNG

Auch die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Siebten Senat des BAG keinen Erfolg. Das BAG stellte vielmehr heraus, dass die PV ebenso wie ein Betriebsrat bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet, einen gewissen Spielraum hat.

Das LAG Düsseldorf begründete seine Entscheidung noch unter anderem damit, dass die PV auch in Anbetracht der immerhin vierstelligen Kosten für Übernachtung und Verpflegung im Zusammenhang mit dem Präsenzseminar und unter Berücksichtigung der (unterstellt: angespannten) wirtschaftlichen Situation der Arbeitgeberin in Ausübung ihres Beurteilungsspielraums annehmen durfte, dass eine Präsenzschulung im Hinblick auf den zu erzielenden Lernerfolg wesentlich effektiver ist als eine Onlineschulung. Dies gelte auch dann, wenn die Lerninhalte identisch sein sollten und müsse erst recht gelten, wenn der Entscheidung der PV gegen ein Webinar der Wunsch der zu schulenden Gremiumsmitglieder an der Teilnahme an einem Präsenzseminar zugrunde liege. Diese könnten nämlich am besten beurteilen, bei welcher Form der Wissensvermittlung bei ihnen am meisten „hängen“ bleibt.

FAZIT

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob das BAG die Argumentation des LAG in Gänze aufnimmt oder Arbeitgebern eine Hintertür offenlässt.

Schon jetzt gilt aber, dass jedenfalls eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten einer preiswerteren (Präsenz-)Veranstaltung in Betracht kommt, sofern mehrere gleichzeitig angebotene Schulungen auch nach Ansicht des Betriebsrats als qualitativ gleichwertig anzusehen sind. Es kann daher lohnenswert sein, die PV bzw. den Betriebsrat auf anderweitige Präsenzschulungen hinzuweisen. Aber Achtung: Das LAG Düsseldorf war in dem vorliegenden Fall der Ansicht, dass ein Seminar, welches fünf Wochen nach dem Wunschseminar stattfinden sollte, zu einer derart erheblichen Verzögerung führen würde, dass eine Entsendung der PV-Mitglieder nicht zumutbar gewesen sei.

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Markus Schanzleh

Markus Schanzleh

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