Co-Working-Spaces: Fluch oder Segen für Vermieter?

Mit dem geplatzten Wework-Börsengang im vergangenen Jahr sind erste Risse in der heilen Coworking-Welt sichtbar geworden. Es stellt sich die Frage: Was passiert eigentlich im Falle einer Insolvenz des Anbieters. Welche Folgen hat es für Immobilieneigentümer, wenn der Stern des Co-Working-Mieters im Haus wieder sinkt?

Die Digitalisierung und der Wunsch nach flexibleren Arbeitsplatzmodellen steigen stetig an. Gleichzeitig ändert sich die Nachfrage nach und die Verfügbarkeit von Mietflächen. Co-Working entspricht deshalb mehr und mehr der präferierten Arbeits- und Lebensweise insbesondere bei jungen Unternehmern. Das Geschäftsmodell der Co-Working-Anbieter ist bekannt: Sie mieten Büroflächen langfristig fest an und vermieten diese „kleinteilig“ unbefristet oder kurzzeitig in Form von einzelnen Workplaces zu deutlich höheren Preisen an die Endnutzer weiter. Wobei regelmäßig keine klassischen Untermietverträge geschlossen werden, sondern die Nutzer fast wie in einem „Verein“ eine Mitgliedschaft eingehen.

Diese Mitgliedschaften enthalten jedoch immer auch eine „Untermietkomponente“. Dabei stellen die Co-Working-Anbieter neben den jeweiligen Räumen/Arbeitsplätzen, auch sämtliche Infrastruktur (insbesondere IT-Netzwerk, Drucker, Scanner, Fax, Telefon, Beamer, Besprechungsräume und ähnliches) zur Verfügung. Die Arbeitsplätze können sehr flexibel genutzt („unterangemietet“) werden.

Die Co-Working-Spaces bieten für viele Immobilieneigentümer aufgrund des langfristigen Mietvertrags und der in der Regel recht hohen Mieten eine sehr gute Planungssicherheit. Die Kehrseite ist die wesentliche intensivere Nutzung der Immobilie und dadurch ein höherer Verschleiß. Dementsprechend verkürzen sich die Instandsetzungszyklen. Nicht selten wird vom Vermieter aber auch der Einbau recht kostenintensiver Sonderausstattungen erwartet, die bei Mietende nur beschränkt drittverwendungsfähig sind. Internationale Co-Working-Anbieter fordern zudem teilweise Zuschüsse beim Umbau der Flächen und zusätzlich lange (teilweise bis zu zwei Jahren) mietfreie Zeiten als Incentive für den Abschluss eines langfristigen Mietvertrages.

Zu den bekanntesten und größten Anbietern zählen Namen wie IWG/Regus, Mindspace, Design Offices und Wework. Wework gilt hierbei als Vorreiter und bekanntester Anbieter. Einige Immobilienexperten halten jedoch die Zukunftsaussichten des Geschäftsmodells der Vermietung von Co-Working-Spaces für problematisch. Der geplatzte Börsengang von Wework im Jahre 2019 hat viele Marktteilnehmer verunsichert. Etliche Co-Working-Spaces können nicht zuletzt wegen der überdurchschnittlich hohen Mieten vielerorts nur an der Grenze der Rentabilität betrieben werden.
Der nachhaltige Erfolg des Betriebs steht und fällt mit der effizienten Flächenauslastung und der Höhe der beim Endnutzer erzielbaren „Untermiete“. Hat der Anbieter beispielsweise mit dem Gebäudeeigentümer eine hohe Festmiete vereinbart, kann das Modell für den Co-Working-Anbieter schnell kippen, wenn die Auslastung der betroffenen Flächen problematisch ist.

Folgen einer Insolvenz
Doch was droht dem vermietenden Gebäudeeigentümer, wenn das Geschäftsmodell seines Mieters nachhaltig und langfristig nicht aufgeht? Was kommt zum Beispiel bei einer Insolvenz eines Co-Working-Anbieters auf den Vermieter zu? In diesem Fall muss man zunächst zwei Stadien im Insolvenzverfahren unterscheiden. Das erste Stadium beginnt mit dem Insolvenzantrag. Das Insolvenzantragsverfahren hat grundsätzlich keinerlei Einfluss auf Bestand und Inhalt des Mietvertragsverhältnisses. Das Mietverhältnis besteht unverändert fort.

Das zweite Stadium beginnt mit der tatsächlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Auch im eröffneten Insolvenzverfahren bestehen Mietverhältnisse, die der Schuldner als Mieter abgeschlossen hat, fort (Paragraf 108 Absatz 1 S. 1 Insolvenzordnung). Folgende wichtigen Besonderheiten sind zu beachten: Der Insolvenzverwalter des Mieters hat ein Sonderkündigungsrecht nach Paragraf 109 InsO. Danach kann er das Mietverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen. Dieses Sonderkündigungsrecht kann im Mietvertrag nicht ausgeschlossen werden. Auf Vermieterseite sieht es restriktiver aus. Zwar hat der Vermieter das Recht, das Mietverhältnis nach den allgemeinen gesetzlichen Regeln wegen Zahlungsverzugs zu kündigen; ein Kündigungsrecht allein wegen der Insolvenz oder wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Mieters gibt es jedoch nicht. Selbst wenn sich der Mieter in einem zur außerordentlichen Kündigung berechtigendem Zahlungsverzug befindet, hat der Vermieter nicht das Recht unmittelbar zu kündigen. Denn nach Stellung des Insolvenzantrags bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht eine sogenannte „Kündigungssperre“. Paragraf 112 InsO verbietet dem Vermieter eine außerordentliche Kündigung wegen Mietrückständen aus der Zeit bis zum Insolvenzantrag. Hat der Vermieter es versäumt, wegen der bis zum Insolvenzantrag eingetretenen Mietrückstände zu kündigen, muss er zunächst den Mietausfall hinnehmen. Er kann dann erst wieder kündigen, wenn nach dem Insolvenzantrag ein „neuer“ zur Kündigung berechtigender Rückstand anfällt. Mieten, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werden, sind im Übrigen sogenannten Masseschulden, die der Insolvenzverwalter, wenn er sein Sonderkündigungsrecht nicht ausgeübt hat, vorrangig erfüllen muss. Wird die Miete sodann im eröffneten Insolvenzverfahren auch vom Insolvenzverwalter nicht gezahlt, hat der Vermieter bei einem Verzug mit der Mietzahlung für zwei aufeinanderfolgende Zahlungstermine (Paragraf 543 Absatz 2 Ziffer 3 a) Bürgerliches Gesetzbuch) beziehungsweise über mehrere Termine, wenn der Rückstand die Miete für zwei Monate erreicht (Paragraf 543 Absatz 2 Ziffer 3 b) BGB), das Recht, den Mietvertrag außerordentlich zu kündigen.

Außerordentlich kündigen
Unabhängig hiervon kann der Vermieter einen weiteren Grund zur außerordentlichen Kündigung des zwischen ihm und dem Co-Working-Anbieter bestehenden (Haupt-)Mietvertrags haben: Denn vereinnahmt der Co-Working-Anbieter als Hauptmieter von seinem Kunden – dem Endnutzer – die monatlichen Zahlungen, leistet seinerseits aber keine Mietzahlungen an den Eigentümer, kann dies ein eigenständiges Kündigungsrecht aus wichtigem Grund begründen. Denn das Verhalten des mietenden Co-Working-Anbieters ist dann schon deshalb vertragswidrig, weil er die vereinnahmte Miete nicht dafür verwendet, seine Mietschuld gegenüber dem Eigentümer zu begleichen. Anders als in dem Stadium nach Stellung des Insolvenzantrags muss der Eigentümer eine Nutzung der angemieteten Räume ohne Mietzahlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht hinnehmen und kann nach den allgemeinen gesetzlichen Regeln außerordentlich kündigen.

Zusätzlich ist dem Vermieter zu empfehlen, das gesetzliche Vermieterpfandrecht (Paragraf 562 f. BGB) auszuüben. Steht die Ausstattung des Co-Working-Spaces im Eigentum des Co-Working-Anbieters, hat der Vermieter Anspruch auf abgesonderte Befriedigung (Paragrafen 49 bis 51 InsO), der Erlös aus der Absonderung steht dem Vermieter als Inhaber des Vermieterpfandrechts zu. Dies kann eine durchaus erfolgversprechende Vorgehensweise sein, um trotz Insolvenz noch
zu einer Kompensation für den Mietausfall zu gelangen. Ins Leere kann das Vermieterpfandrecht gehen, wenn das Inventar zum Beispiel bei Leasing in Dritteigentum steht oder vorrangig an einen Dritten wie etwa die Bank verpfändet ist. Auf eine Kompensation für etwaige nichtdrittverwendungsfähige Einbauten, die der Vermieter für den Co-Working-Anbieter zu Beginn des Mietverhältnisses erbracht hat, besteht in der Regel jedoch kein Anspruch.

Schnell handeln
Will sich ein Vermieter also von einem unsicheren Mietverhältnis lösen, macht es in der Praxis Sinn, dies schnell zu tun, also noch bevor der Insolvenzantrag gestellt ist, um der „Kündigungssperre“ Paragraf 112 InsO zu entgehen. Ist der Insolvenzantrag bereits gestellt, kann der Vermieter nur kündigen, wenn der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Miete zahlt und die Kündigungsvoraussetzungen erneut eintreten. Außerdem sollte vorsorglich stets das Vermieterpfandrecht ausgeübt werden.

Veröffentlicht im Immobilienmanager 4.2020

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Paul M. Kiss

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