OVG NRW zu formellen Fehlern im Bauleitplanverfahren bei Beteiligungsmöglichkeiten über das Internet

Weicht die nach § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB im Internet eingestellte Veröffentlichung von dem Inhalt der ortsüblichen Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB ab, liegt nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichtes NRW (Urteil vom 25.06.2019 – 10 D 88/16 – juris, Rn. 28 f.) ein beachtlicher formeller Mangel des Bebauungsplans vor.

Der Fall

Die Entscheidung betraf ein Normenkontrollverfahren über die Zulässigkeit eines zunächst im beschleunigten und nach erstmaliger Aufhebung durch das Oberverwaltungsgericht im ergänzenden Verfahren aufgestellten Bebauungsplans. Die Gemeinde beabsichtigte, im durchgeführten ergänzenden Verfahren den Planentwurf, nach der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt vom 23.07.2018, in der Zeit vom 31.07.2018 bis zum 07.09.2018 erneut öffentlich auszulegen. In ihrem Online-Beteiligungsformular gab die Gemeinde einen Beteiligungszeitraum vom 31.07.2018 bis zum 31.8.2018 an, mithin eine Woche kürzer.

Die Entscheidung

Dem Oberverwaltungsgericht zur Folge bewirkt die neue Fassung der Beteiligungsvorschriften durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 04.05.2017 eine weitere „erhebliche Verschärfung“ der Publizitätserfordernisse im Rahmen der Bauleitplanung. Dem § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB sei das Konzept zu entnehmen, wonach der Veröffentlichung im Internet die gleiche Funktion zukomme wie der förmlichen Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 BauGB. Beides laufe parallel ab.
Folglich müsse während der gesamten Auslegungszeit über das Internet auf die maßgeblichen Informationen zugegriffen und das Online-Beteiligungsverfahren genutzt werden können. Die im vorliegenden Fall unrichtige Datierung des Endes des Beteiligungszeitraums auf den 31.08.2018 im Internet sei geeignet gewesen, einzelne interessierte Bürger, die etwa erst nach diesem Datum das Online-Beteiligungsformular aufgerufen haben, von der Eingabe einer tatsächlich noch möglichen Stellungnahme abzuhalten.

Ein Verstoß bei der Anwendung des § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Hs. 1 BauGB auch grundsätzlich beachtlich. Unbeachtlich ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Hs. 2 lit. e) BauGB nur die fehlende Zugänglichkeit des Inhalts der Bekanntmachung und der auszulegenden Unterlagen über das zentrale Internetportal des Landes.

Auswirkung für die Praxis

Der Fall schildert exemplarisch die strengen inhaltlichen und auch formellen Anforderungen, die der Gesetzgeber an die Gemeinden als die Träger der Planungshoheit stellt. Zu den ohnehin schon hohen Anforderungen kommen durch die Nutzbarkeit des Internets weitere hinzu.

Das Oberverwaltungsgericht hat unlängst in zwei Entscheidungen die Ansicht vertreten, dass der Zusatz, Stellungnahmen könnten „schriftlich oder zur Niederschrift“ vorgebracht werden, einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BauGB darstellen kann. Ähnlich wie im vorliegenden Fall argumentierte das Oberverwaltungsgericht dahin, dass mit dieser Formulierung Stellungnahmen per E-Mail ausgeschlossen würden und dies ggf. Bürger von Stellungnahmen (via E-Mail) abhalten könnte (OVG Münster, Urteil vom 21.01.2019 – 10 D 23/17.NE – juris, Rn. 65, Urteil vom 14.03.2019 – 2 D 71/17.NE – juris, Rn. 49 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hatte diese Frage in den 1990er Jahren noch ausdrücklich anders entschieden (Beschluss vom 28.01.1997 – 4 NB 39/96, Rn. 9), diese Ansicht sei vor dem Hintergrund der mittlerweile weit verbreiteten Nutzung von Internetkommunikation nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts jedoch überholt.

Autor: Rechtsanwalt Marcel Kreutz
Tel. +49.221.95190-84
Fax: +49.221.95190-94
E-Mail: m.kreutz@cbh.de