OVG NRW hebt die „Coronaregionalverordnung“ im Kreis Gütersloh auf (13 B 940/20.NE)

Kurz vor Ablauf der „Coronaregionalverordnung“ im Kreis Gütersloh hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 06.07.2020 diese vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Verordnung entsprechende angesichts der Infektionslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, das nun differenziertere Regelungen verlange.

Der Fall

Nach dem Corona-Ausbruch im Schlachtbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh mit über 1.500 Infizierten hatte das Land Nordrhein-Westfalen eine erste Coronaregionalverordnung erlassen. Die Verordnung beschloss zunächst für die Dauer einer Woche weitreichende Kontaktbeschränkungen sowie Einschränkungen im Kultur- und Freizeitbereich für die Kreise Gütersloh und Warendorf. Nachdem die Maßnahmen für den Kreis Warendorf am 30.06.2020 ausgelaufen waren, wurden sie für den Kreis Gütersloh durch eine zweite Coronaregionalverordnung verlängert.
Den Eilantrag eines Bürgers aus dem Kreis Gütersloh gegen die erste Coronaregionalverordnung wies das Oberverwaltungsgericht zunächst zurück (13 B 911/20.NE). Dieser hatte gerügt, dass die Verordnung räumlich zu weit gefasst und daher in bestimmten Kommunen unverhältnismäßig sei. Gegen die zweite Coronaregionalverordnung hat sich nunmehr eine GmbH aus Oelde gewandt, die im Kreis Gütersloh mehrere Spielhallen betreibt.

Die Entscheidung

Das Oberverwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der GmbH entsprochen. Die angegriffene Coronaregionalverordnung sei nach der Prüfung im Eilverfahren voraussichtlich rechtswidrig. Es sei nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht mehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbaren, dass sich ihr Geltungsbereich auf das gesamte Gebiet des Kreises Gütersloh erstrecke.

Das Oberverwaltungsgericht sah es zu Beginn des Ausbruchsgeschehens noch als verhältnismäßig an, dass das Land für den gesamten Kreis kurzfristig strengere Schutzmaßnahmen als für andere Regionen Nordrhein-Westfalens ergriffen habe. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der jetzigen gerichtlichen Entscheidung sei es aber auf Grundlage der erfolgten Aufklärungsmaßnahmen möglich und erforderlich gewesen, eine differenziertere Regelung zu erlassen. Die Zahl der Neuinfektionen unterscheide sich zwischen den Städten und Gemeinden erheblich – so wurden besonders im Norden und Osten des Kreises nur wenige Neuinfizierungen festgestellt.
Nach diesen Erkenntnissen weicht die Gefährdungslage nicht mehr bedeutend von derjenigen in anderen außerhalb des Kreisgebietes gelegenen Städten und Gemeinden vergleichbarer Größenordnung ab. Die Fortdauer der Coronaregionalverordnung sei daher nicht mehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbaren.

Konsequenzen

Mit einem weiteren Rückgang der Infektionszahlen in Deutschland, ist damit zu rechnen, dass auch die Verwaltungsgerichte etwaige Maßnahmen der Verordnungsgeber strenger beurteilen und differenziertere Regelungen fordern werden. Weitreichende Folgen solcher gerichtlichen Entscheidungen sind allerdings deshalb nicht zu befürchten, da – wie der vorliegende Fall zeigt – Gerichtliche Eilanträge oder Klagen werden kaum innerhalb der naturgemäß kurzen Geltungsdauer der Maßnahmen entschieden.