NEU: Entscheidung des Monats

An dieser Stelle findet sich künftig monatlich eine Entscheidung, die das CBH-Vergaberechtsteam vorstellt. Die Entscheidungen informieren über aktuelle Entwicklungen der Rechtsprechung im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, die Sie nicht verpassen dürfen!

Eine Handwerkskammer ist kein öffentlicher Auftraggeber

Das OLG Schleswig hat mit Beschluss vom 24.11.2023 (Az. 54 Verg 6/23) entschieden, dass eine Handwerkskammer kein öffentlicher Auftraggeber ist. Der Entscheidung lag eine Ausschreibung zugrunde, in der Planungsleistungen für Baugrund und Wasserhaltung im offenen Verfahren ausgeschrieben waren.

Der Senat stellt klar, dass die Handwerkskammer zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber kein öffentlicher Auftraggeber ist, da sie weder unter § 99 Nr. 2 GWB noch unter § 99 Nr. 4 GWB fällt. Eine Handwerkskammer unterliege keiner qualifizierten staatlichen Einflussnahmemöglichkeit (§ 99 Nr. 2 GWB); die bloße Rechtsaufsicht, Rechtmäßigkeits- oder Rechnungshofkontrolle sei mangels entsprechender Einflussmöglichkeiten nicht ausreichend, um öffentlicher Auftraggeber zu sein.

Weiterhin fiel die Handwerkskammer im streitgegenständlichen Fall auch nicht unter § 99 Nr. 4 GWB, wonach eine Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber für bestimmte Baumaßnahmen auch aus einer überwiegenden öffentlichen Förderung folgen kann. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der „überwiegenden Subventionierung“ i. S. v. § 99 Nr. 4 GWB ist nach Ansicht des Senats nämlich der Zeitpunkt der Ausschreibung. Entscheidend sei, in welcher Höhe der Auftraggeber bei seiner Gesamtkalkulation mit Fördermitteln gerechnet habe. Wenn zu diesem Zeitpunkt – wie im entschiedenen Fall – weniger als 50 % einer Gesamtbaumaßnahme durch die öffentliche Hand gefördert werden, ist es unschädlich, wenn im weiteren Projektverlauf unvorhergesehenerweise zusätzliche Fördermittel dazukommen und die 50 %-Grenze erreicht wird.

Was ist wichtig für die Praxis?

  1. Die Entscheidung ist übertragbar auf alle berufsständigen Kammern also z. B. IHKs, Ärzte- oder Anwaltskammern. Diese sind allesamt grundsätzlich nicht ausschreibungspflichtig, können daher flexibler agieren.
  2. Mit Blick auf Compliance und wirtschaftlichen Umgang mit den Mitgliedsgeldern bietet sich für berufsständische Kammern jedoch die Aufstellung interner Beschaffungsrichtlinien an, die einen flexiblen, zugleich aber auch transparenten, Beschaffungsprozess regeln.
  3. Mit der Bewertung zu § 99 Nr. 4 GWB wurde Rechtssicherheit zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt geschaffen, was für alle Auftraggeber eine wesentliche Risikominimierung mit sich bringt.
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Lara Itschert

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T: +49 221 95 190-89
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Andreas Haupt

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