Die Verweisungsvorschrift des § 20 Abs. 1 BauNVO für die Definition der Vollgeschosse ist eine statische Verweisung

In seinem Urteil vom 03.05.2018, Az.: 10 A 2937/15, trifft das Oberverwaltungsgericht Münster die wichtige Feststellung, dass § 20 Abs. 1 BauNVO für den Begriff des Vollgeschosses eine statische und keine dynamische Verweisung in die jeweils landesrechtlichen Vorschriften der Bauordnungen enthält.

Hintergrund

Der Begriff des Vollgeschosses wird in der Landesbauordnung in der jeweils gültigen Fassung definiert (in NRW noch: § 2 Abs. 5 BauO NRW vom 01.03.2000). Die Baunutzungsverordnung des Bundes in der jeweils gültigen Fassung (derzeit: § 20 BauNVO vom 21.11.2007) verweist hinsichtlich der Definition des Vollgeschosses auf die landesrechtlichen Vorschriften. Eben diese Verweisungsvorschrift betrifft die in der Literatur recht intensiv erörterte Frage, welchen Einfluss es auf die Anwendung rechtsgültiger Bebauungspläne hat, wenn die landesrechtliche Definition des Vollgeschossbegriffs zwischenzeitlich geändert wird bzw. wenn sich ihre Auslegung ändert. Vor dem Hintergrund, dass sich die BauO NRW zum 01.01.2019 ändert und damit der § 2 BauO NRW neu gefasst wird (Vollgeschosse werden zukünftig definiert unter § 2 Abs. 6 BauO NRW), gewinnt diese Problematik an praktischer Relevanz. Der Meinungsstreit wird zwischen denen ausgetragen, welche die Verweisung in § 20 Abs. 1 BauNVO als „statisch“ ansehen, und denen, die diese Verweisung als „dynamisch“ auffassen. Statisch bedeutet, dass für die Prüfung, ob ein Geschoss ein Vollgeschoss ist, in Bebauungsplangebieten diejenigen Landesbauordnungen zugrunde zu legen sind, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bzw. der Bekanntmachung des Bebauungsplans gültig gewesen sind. Bei der Annahme der dynamischen Verweisung hingegen geht man davon aus, dass die jeweilige aktuell gültige Landesbauordnung zugrunde zu legen ist.

Bisherige Rechtsprechung in NRW

In NRW hat sich dieser Streit bisher als in der Praxis recht seltenes Problem dargestellt. Das VG Aachen hat dieses Problem in seinem Urteil vom 20.02.2013, Az.: 3 K 326/10, nur kurz aufgezeigt. Es musste sich jedoch nicht festlegen, da es in dieser Entscheidung nach beiden Ansichten zu demselben Ergebnis kam. Schließlich hat das OVG Münster in seinem Urteil vom 03.05.2018 entschieden, dass es sich um eine statische Verweisung handelt. Im vorliegenden Fall war daher auf die BauO NRW 1970 abzustellen.

Vergleich Definition Vollgeschoss aktuelle und neue BauO NRW

Der neu gestaltete § 2 Abs. 6 BauO NRW vereinfacht den Begriff des Vollgeschosses gegenüber der bisherigen BauO NRW. Er ist für den Bauherrn vorteilhafter, da ihm größere Freiheiten für die Planung von Gebäuden im Rahmen städtebaulicher Vorgaben eingeräumt werden. So entfällt die Spezialregelung zum Staffelgeschoss, die ein allseitiges Zurückweichen der Außenwände für das jeweilige Geschoss forderte und die häufig zu Auseinandersetzungen zwischen der Bauherrschaft, Planenden und Bauaufsichtsbehörden geführt hat. In der neuen BauO NRW soll nur noch auf die Geschosshöhe über eine Mindestgrundfläche abgestellt werden.

Fazit

Selbst wenn im nächsten Jahr in NRW eine neue für den Bauherrn vorteilhaftere Definition der Vollgeschosse gilt, wird man sich durch die Rechtsprechung des OVG Münster nur schwer darauf berufen können, wenn die bauliche Anlage im Geltungsbereich eines älteren Bebauungsplans liegt. Maßgeblich ist nämlich immer die Landesbauordnung, welche im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Bebauungsplans in Kraft war.

Quelle: OVG Münster, Urteil vom 03.05.2018, Az.: 10 A 2937/15

Autorin:
Rechtsanwältin Anna-Lisa Höfges, LL.M. (Gold Coast)
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