Bundesverwaltungsgericht: weiterhin strenge Vorgaben für Sonntagsöffnungen (8 CN 1.19, 8 CN 3.19)

Das Bundesverwaltungsgericht hat seine bislang strenge Rechtsprechung für Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen bestätigt und konkretisiert. Weiterhin gilt, dass der Gesetzgeber Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe zur Regel erheben muss. Ausnahmen sind nur zur Wahrung gleich- oder höherrangiger Rechtsgüter zuzulassen und müssten auch als Ausnahme für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben. In seinen Urteilen – beide vom 22.06.2020 – hat es die Urteile der Normenkontrollgerichte (VGH Mannheim und OVG Münster) geändert und festgestellt, dass die angegriffenen Bestimmungen zur Sonntagsöffnung zweier Städte in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen unwirksam waren.

Die Fälle

Die Urteile betreffen zum einen Sonntagsöffnungen in der Großen Kreisstadt Herrenberg in Baden-Württemberg anlässlich des Historischen Handwerkermarktes und der Herrenberger Herbstschau im Jahr 2017 und 2018 (Az.: 8 CN 1.19 vom 22.06.2020) und zum anderen die geplante Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags anlässlich der Blaulichtmeile in Mönchengladbach im Jahr 2020 (Az.: 8 CN 3.19 vom 22.06.2020). In beiden Fällen hatten sich Gewerkschaften gegen die Sonntagsöffnungen gewandt.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte den gegen die entsprechende Satzung der Großen Kreisstadt Herrenberg gerichteten Normenkontrollantrag abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, der verfassungsrechtliche Sonntagsschutz sei gewahrt. Dazu genüge, dass Sonntagsöffnungen seltene Ausnahmen blieben und die anlassgebenden Märkte und Ausstellungen keine bloßen Alibiveranstaltungen seien.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat den Normenkontrollantrag abgelehnt, da dem verfassungsrechtlichen Sonntagsschutz durch das Regelungskonzept des Landes Nordrhein-Westfalen Rechnung getragen worden sei. Danach müsse die Veranstaltung, mit der die Ladenöffnung im Zusammenhang stehe, nach Charakter, Größe und Zuschnitt ein hinreichendes Gewicht haben, um den öffentlichen Charakter des Tages prägen und eine Ausnahme von der verfassungsrechtlichen Regel der Sonn- und Feiertagsruhe rechtfertigen zu können. Auf eine Prognose der Besucherzahlen könne unter bestimmten engen Voraussetzungen verzichtet werden.

Die Entscheidung

Das Bundesverwaltungsgericht hat zunächst grundsätzlich bestätigt, dass Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen eine Ausnahme bleiben müssen.

Dementsprechend sei bei der Interpretation der Vorschriften zur Sonntagsöffnung nicht nur eine zeitliche Begrenzung notwendig, sondern auch eine räumliche. Im Fall vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sei eine „gebietsweite Sonntagsöffnung“ aus Anlass der beiden Veranstaltungen deshalb nicht zulässig gewesen, weil deren Ausstrahlungswirkung sich nicht auf die außerhalb der Kernstadt gelegenen, bis zu 6 km entfernten Teilorte erstreckte.

Für den Fall vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen stellt das Bundesverwaltungsgericht klar, dass das landesrechtlich geforderte (und bei räumlicher und zeitlicher Nähe vermutete) öffentliche Interesse an der Sonntagsöffnung beim Eingreifen besonderer Umstände nicht vermutet werden dürfe. Solche Umstände können sich beispielsweise aus einem erheblichen Umfang der Zahl der geöffneten Verkaufsstellen sowie deren Fläche ergeben, die Anlass zu der Annahme geben, dass eine verfassungsrechtlich unerwünschte werktägliche Prägung gegenüber dem öffentlichen Charakter des Tages in den Vordergrund tritt. In diesem Fall dürfe auf eine Prognose der Besucherzahlen, die von der Veranstaltung einerseits und der Ladenöffnung andererseits angezogen werden, nicht verzichtet werden.

Konsequenzen

Weiterhin stellt das Bundesverwaltungsgericht hohe Anforderungen an die Ausgestaltung der Sonntagsöffnungszeiten, so dass die Kommunen im Einzelfall eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen und Prognosen anstellen müssen, damit der öffentliche Charakter der Veranstaltung, mit der die Ladeneröffnung verbunden ist, nicht zurücktritt.