Bundesverfassungsgericht stoppt Vorabinformation an ausgewählte Journalisten

Das Bundesverfassungsgericht hat seine in die Kritik geratene Vorabinformationspraxis geändert. Seit dem 01.09.2023 veröffentlicht das Bundesverfassungsgericht ausgewählte Entscheidungen direkt auf seiner Webseite in einem Wochenausblick und versendet diese nicht mehr vorab an ausgewählte Journalistinnen und Journalisten.

Bisher war es beim Bundesverfassungsgericht Praxis, dass ausgewählte Journalistinnen und Journalisten, die der sog. Justizpressekonferenz (JPK) angehörten, bereits am Tag vor der Verkündung von Entscheidungen erfuhren, über die das Bundesverfassungsgericht entschieden hat.

Die JPK ist ein Zusammenschluss von Rechtsjournalisten mit Sitz in Karlsruhe und ist als Verein organisiert. Die JPK berichtet über das Bundesverfassungsgericht, den Bundesgerichtshof, die Bundesanwaltschaft sowie über rechtspolitische Fragen. Mitglied in der JPK kann nur werden, wer hauptberuflich als Journalist tätig ist und ständig über die Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe und über Fragen der Rechts- und Justizpolitik berichtet. Bisher war es gängige Praxis, dass, wenn wichtige Urteilsverkündungen des Bundesverfassungsgerichts anstanden, bestimmte Mitglieder der JPK bereits am Vorabend über die Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht informiert wurden. Die Vorabinformationen des Bundesverfassungsgerichts waren mit einer „Sperrfrist“ versehen, sodass die informierten Journalistinnen und Journalisten nicht vor der tatsächlichen Verkündung der Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht berichten durften. Diese sog. Vorabinformationspraxis war in Europa, mit Ausnahme des Verfassungsgerichtshofs in Österreich, eine Ausnahme. Erstaunlich an der Vorabinformationspraxis war, dass die ausgewählten Journalistinnen und Journalisten nicht nur einen Wissensvorsprung vor konkurrierenden Medien hatten, sondern auch einen Wissensvorsprung vor den Parteien des jeweiligen Rechtsstreits, wie dieser ausgehen wird.

Gegen die Vorabinformationspraxis wehrten sich im Frühjahr dieses Jahres u. a. der Tagesspiegel und die Bild-Zeitung und forderten das Bundesverfassungsgericht auf, die bis dato praktizierte Vorabinformationspraxis auszusetzen. In Reaktion auf die Aufforderung wendete das Bundesverfassungsgericht die Vorabinformationspraxis zunächst im zweiten und dritten Quartal 2023 nicht an. Mit Pressemitteilung Nr. 74/2023 aus August 2023 teilte das Bundesverfassungsgericht nun mit, die bisher praktizierte Vorabinformationspraxis nicht weiterzuverfolgen und zukünftig wichtige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in einem Wochenausblick anzukündigen. Diese neue Praxis wird seit dem 01.09.2023 angewendet. Im Wochenausblick werden nun lediglich das Aktenzeichen, eine Kurzbeschreibung des Verfahrensgegenstandes, vorausgegangene fachgerichtliche Entscheidungen sowie der voraussichtliche Veröffentlichungstermin bekannt gegeben. Am Tag der jeweiligen Veröffentlichung der Entscheidung sind diese dann regelmäßig ab 9:30 Uhr auf der Webseite des Bundesverfassungsgerichts abrufbar und werden sodann gleichzeitig per Newsletter versandt.

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Dr. Nico Herbst

Dr. Nico Herbst

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