Auftraggeber aufgepasst: Angebotswertung muss anhand der bekannt gemachten Zuschlagskriterien erfolgen!

In einer aktuellen Entscheidung betont die Vergabekammer des Bundes, dass die Angebotswertung seitens des Auftraggebers anhand der bekannt gemachten Zuschlagskriterien zu erfolgen habe und eine nachträgliche Einschränkung dieser Kriterien vergaberechtswidrig sei.

Der Sachverhalt

Gegenstand der Ausschreibung sind Bewachungsleistungen für systemrelevante Infrastrukturen. Gemäß den Vergabeunterlagen erhält ein Bieter für das Zuschlagskriterium „Referenz zu Kenntnissen und Erfahrungen des Objektverantwortlichen“ die volle Punktzahl, wenn er in den letzten zehn Jahren mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in der Bewachung vergleichbarer ziviler kritischer Infrastruktur besitzt. Nach der in der Ausschreibung angegebenen KRITIS-Definition gelten Infrastrukturen als „kritisch“, wenn sie für die Funktionsfähigkeit moderner Gesellschaften von wichtiger Bedeutung sind und ihr Ausfall oder ihre Beeinträchtigung nachhaltige Störungen im Gesamtsystem zur Folge hat. Bieter A liegt beim weiteren Zuschlagskriterium Preis auf dem ersten Platz, bei den Gesamtpunkten hingegen nicht, weil die eingereichte Referenz, welche die Bewachung eines Krankenhauses nachwies, von der Auftraggeberin mit null Punkten bewertet wurde. Ein anderer Bieter erhält daher den Zuschlag.

Die Entscheidung

Die VK Bund betont in ihrer aktuellen Entscheidung erneut und mit Nachdruck, dass Auftraggeber sich bei der Wertung der Angebote an die Erläuterungen, welche in den Vergabeunterlagen zu einem qualitativen Zuschlagskriterium aufgestellt wurden, halten müssen. Nur so wird ein Auftraggeber den gesetzlichen Anforderungen des § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB gerecht, wonach Zuschlagskriterien so festgelegt und bestimmt sein müssen, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Die VK Bund war dabei der Ansicht, dass die von dem Auftraggeber vertretene einschränkende Wertung, dass ein Krankenhaus keine vergleichbare zivile, kritische Infrastruktur sei und die dortige Tätigkeit daher nicht die zu bewertenden Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln könne, in einem deutlichen Widerspruch zu der KRITIS-Definition der Vergabeunterlagen stehe. Maßgeblich für das Verständnis der Zuschlagskriterien sei der objektive Empfängerhorizont (§§ 133 und 157 BGB) des von der Ausschreibung adressierten Bieterkreises entsprechend fachkundiger Unternehmen. Da die Auftraggeberin keine weitergehenden, differenzierten Anforderungen an die Erfüllung des entsprechenden Zuschlagskriteriums hinsichtlich der Art der Bewachungsleistung, der zeitlichen Abdeckung etc. in den Vergabeunterlagen gestellt habe, können diese Kriterien nicht in die Wertung der Referenzen einbezogen werden. Nach dem objektiven Empfängerhorizont fällt ein Krankenhaus daher unter die KRITIS-Definition. Im Nachhinein können Einschränkungen des Wertungsprogramms nicht mehr eingeführt und geltend gemacht werden, weil sich jeder Bieter bei der Erstellung des eigenen Angebots an den bekannt gemachten Zuschlagskriterien zu orientieren hat und gehalten ist, auf dieser Grundlage ein möglichst wirtschaftliches Angebot abzugeben. Eine explizite Vorgabe solch differenzierter Anforderungen wäre seitens des Auftraggebers zur Gewährleistung eines transparenten Bieterwettbewerbs im Sinne des § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB somit bereits in den Vergabeunterlagen anzugeben gewesen. Mit dem im Ergebnis angenommenen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB sah die VK Bund den Nachprüfungsantrag der Bieterin A als begründet an.

Praxishinweis

Ausschlaggebend war für die VK Bund, dass die Vergabestelle keine weitergehenden Anforderungen an die Erfüllung des Zuschlagskriteriums Referenz in hinreichend bestimmter Form in den Vergabeunterlagen aufgestellt hat. Die Entscheidung ist aus Bietersicht zu begrüßen, da sie Auftraggeber wiederholt dazu zwingt, den Bietern klar, deutlich und abschließend die Zuschlagskriterien im Rahmen der Vergabeunterlagen bekannt zu geben. Aus Sicht des Auftraggebers kann die Entscheidung als erneute Ermahnung gesehen werden, dass eine einschränkende Wertung anhand nicht bekannt gemachter Anforderungen dem Transparenzgebot des Vergaberechts gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht gerecht wird.

VK Bund, Beschl. v. 10.06.2020, VK 2-15/20