Auch eine mündliche Präsentation darf gewertet werden!

In einer aktuellen Entscheidung stellt die Vergabekammer des Bundes (Beschl. v. 22.11.2019 – VK 1-83/19) klar, dass eine Bewertung rein mündlich vorgetragener Inhalte auf Basis der Zuschlagskriterien zulässig ist. Damit positioniert sie sich eindeutig und ausdrücklich gegen die Entscheidungen der Vergabekammern Südbayern (Beschluss, v. 02.04.2019, Z3-3-3194-1-43-11/18) und Rheinland (Beschl. v. 19.11.2019 – VK 40/19), welche in der Vergangenheit die gegenteilige Auffassung vertreten hatten.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer des Bundes hatte sich im Rahmen eines Nachprüfungsantrages mit der Rüge eines Bieters auseinander zu setzen, dass sowohl das zu Grunde liegende Wertungssystem als auch die konkrete Wertung einer mündlichen Präsentation ohne textliche Grundlage vergaberechtswidrig sei. Im Rahmen des durchgeführten Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb zur Vergabe von Projektsteuerungs- und TGA-Koordinationsleistungen behielt sich die Auftraggeberin in der Auftragsbekanntmachung vor, den Auftrag auf Grundlage der Erstangebote zu vergeben. Die Wertungsmatrix sah dabei vor, dass allein der im Rahmen des Verhandlungsgespräches präsentierte Vortrag bewertet wird. Die Bieter reichten Honorarangebote ein und nahmen an den jeweiligen Präsentationsterminen teil.  Eine Aufforderung zur Abgabe überarbeiteter Angebote erfolgte nicht. Die Auftraggeberin traf ihre Entscheidung vielmehr nach Abschluss der Präsentationstermine.

Diesen Sachverhalt nahm die Vergabekammer des Bundes zum Anlass der bestehenden Rechtsunsicherheit bei der Wertung rein mündlich vorgetragener Inhalte (scheinbar) ein Ende zu bereiten. Sie betont im Rahmen ihres Beschlusses ausdrücklich, dass die Auftraggeberin ihre Vergabeentscheidung auf Basis einer rein mündlichen Präsentation treffen durfte und widersprach damit den Ausführungen der Vergabekammern Südbayern und Rheinland. Die Bewertung einer Präsentation bei der Zuschlagsentscheidung verstoße insbesondere nicht gegen die Formvorschriften des § 53 i. V. m. § 9 Abs. 2 VgV, wenn die mündlichen Angebotsteile dokumentiert werden. Die fachlich-inhaltliche Vorstellung des Angebots sowie des einzusetzenden Personals könne in Form einer mündlichen Präsentation vorgenommen und entsprechend bewertet werden. Dies ergibt sich sowohl aus der Gesetzesbegründung der Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, wonach im Rahmen des § 9 Abs. 2 VgV eine mündliche Kommunikation über die Angebote gerade nicht ausgeschlossen wird (vgl. BT-Drucksache 18/7318 vom 20. Januar 2016, zu § 9 Abs. 2, S. 153). Als auch aus Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU, wonach „die mündliche Kommunikation mit Bietern, die einen wesentlichen Einfluss auf den Inhalt und die Bewertung des Angebots haben könnte, in hinreichendem Umfang und in geeigneter Weise dokumentiert werden“ muss. Hieraus ergibt sich, dass auch der EU-Richtliniengeber die Berücksichtigung eines mündlichen Vortrags auch im Rahmen der Angebotswertung als zulässig erachtet.

Die notwendige Textform des Angebots gemäß § 53 Abs. 1 VgV sei nach den Ausführungen der Vergabekammer des Bundes vorliegend durch die schriftliche Bewerbung und Einreichung des Angebots gewährleistet.

Damit entschied die Vergabekammer des Bundes entgegen der Rechtsauffassung der Vergabekammern Südbayern und Rheinland, welche die Präsentation eines Bieters zwar grundsätzlich als ein zulässiges Zuschlagskriterium bewerteten, darüber hinaus aber forderten, dass bereits mit dem Erstangebot zumindest eine Basis der Präsentation in Textform einzureichen sei. Der mündliche Vortrag und der persönliche Eindruck dürfen danach bei der Wertung des Kriteriums Präsentation berücksichtigt werden, aber nicht allein entscheidend sein.

Praxishinweis

Aus Sicht eines öffentlichen Auftraggebers ist die Entscheidung der VK Bund natürlich zunächst zu begrüßen, da sie die Bewertung mündlicher Präsentationen ohne textliche Grundlage zulässt und damit einen Weg eröffnet, allein auf Basis einer persönlichen Vorstellung die fachlichen Stärken und sonstigen Kompetenzen des Personals zu bewerten. Zusätzlich wird klargestellt, dass der Auftraggeber seine Fragen an die Bieter nicht im Vorhinein bekanntgeben muss, was die Flexibilität noch erhöht.

Dabei wird jedoch leicht übersehen, dass die Entscheidung vergaberechtlich zahlreiche neue Probleme aufwirft. Die Vergabekammer ordnet eine Präsentation, die bewertet wird, als Bestandteil des Angebotes ein und grenzt sie inhaltlich von einem Verhandlungsgespräch ab. Dadurch vermag sie das Raster des §17 VgV einzuhalten, der im Verhandlungsverfahren – sofern Verhandlungen durchgeführt werden – zwingend eine anschließende Aufforderung zur Abgabe von Folgeangeboten bzw. finalen Angeboten vorsieht.

Gleichzeitig führt die Argumentation der Vergabekammer jedoch dazu, dass der Inhalt von Angeboten im Vergabeverfahren nach Ablauf der Angebotsfrist durch eine bewertungsrelevante Präsentation verändert werden kann. Insofern ist es unerheblich, ob in einem Verhandlungsverfahren der Zuschlag auf die Erstangebote erteilt wird oder ein offenes Verfahren durchgeführt wird – sofern mündliche Präsentationen ein Angebotsbestandteil sein können, muss das für alle Verfahrensarten gleichermaßen gelten. Eine Erklärung, wie sie dies mit dem Nachverhandlungsverbot des § 15 Abs. 5 VgV (und ihrer eigenen Rechtsprechung aus dem Jahr 2011 – VK 1-114/11) für vereinbar hält, bleibt die VK dazu leider schuldig.

Insgesamt ist eine obergerichtliche Entscheidung zu dem Themenkomplex bewertungsrelevanter mündlicher Präsentationen im Vergabeverfahren daher gleich unter mehreren Aspekten wünschenswert und darf mit Spannung erwartet werden.

Rechtsanwältin Kristin Hacky
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