Keine Anwendung des § 218 BGB auf Rückgewährschuldverhältnisse aus wirksam widerrufenen Darlehensverträgen

Der Bundesgerichtshof hat in einer Reihe von Urteilen vom 10.10.2017 zu Darlehenswiderrufen neben der Bestätigung seiner Rechtsprechungslinie u. a. zur Frage der Verwirkung zudem weitere Einzelfragen im Widerrufsrecht von Darlehensverträgen entschieden. Eine betrifft die Frage, ob Darlehenswiderrufe unabhängig von einer Verwirkung sowie eines Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB auch nach § 218 BGB unwirksam sein können.

§ 218 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass ein Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung unwirksam ist, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. So wird vertreten, dass die Regelung auf bis zum 12.06.2014 geschlossene Darlehensverträge unmittelbar anwendbar sei und die darlehensgewährende Bank eine zeitlich unbegrenzte Ausübung eines mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung fortbestehendes Widerrufsrechts durch Erhebung der Einrede der Verjährung verhindern könne (Seggewiße/Dr. Weber, BKR 2016, 286). Die Anwendung des § 218 BGB auf Fälle widerrufener Darlehensverträge folge aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. Nach dieser Vorschrift seien auf das Widerrufsrecht die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt anzuwenden, zu denen auch die Vorschrift des § 218 BGB zähle. Nach dieser Auffassung sei § 218 jedenfalls analog auch auf die nach dem 13.06.2014 geschlossenen Darlehensverträge anzuwenden. Auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.03.2016, BGBl. 2016-I, 396, sei ein Anwendungsbereich des § 218 BGB bei sowohl Immobiliendarlehen als auch Konsumentenkrediten verblieben.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 10.10.2017 Az. XI ZR 555/16, gegenteilig entschieden und zur Begründung in den Tz. 17 f. (zit. nach juris) ausgeführt:

„3. Richtig ist das Berufungsgericht überdies zu der Auffassung gelangt, der Widerruf sei nicht in entsprechender Anwendung des § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Das Widerrufsrecht als Gestaltungsrecht verjährt anders als die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche nicht (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 – IV ZR 260/11, WM 2015, 227 Rn. 34). Es entsteht auch nicht aufgrund der Verletzung der Pflicht des Unternehmers, eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen, sondern ohne Rücksicht auf die Fehlerhaftigkeit oder Fehlerfreiheit der Widerrufsbelehrung von Gesetzes wegen. Da es nicht an einen Anspruch auf fehlerfreie Belehrung anknüpft, könnte es auch nicht mit einem solchen Anspruch verjähren. § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB ist deshalb nicht auf das Widerrufsrecht anwendbar (OLG Brandenburg, Urteil vom 9. August 2017 – 4 U 112/16, juris Rn. 69 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. März 2017 – 17 U 58/16, juris Rn. 52; OLG Düsseldorf, Urteil vom 3. November 2016 – 6 U 50/16, juris Rn. 30; Protzen, NJW 2016, 3479, 3480; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 15. Aufl., § 218 Rn. 10; MünchKommBGB/Grothe, 7. Aufl., § 218 Rn. 3; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2014, § 218 Rn. 12; aA Seggewiße/Weber, BKR 2016, 286 ff.).“

Praxishinweis:

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs ist der Anwendungsbereich des § 218 BGB auf die Fälle widerrufener Darlehensverträge nicht eröffnet, in denen ein der Verjährung unterliegender Anspruch auf eine fehlerfreie Widerrufsbelehrung nicht gegeben ist. Nach dieser Begründung des Bundesgerichtshofs dürfte weiterhin Raum für eine Anwendung des § 218 BGB in den Fällen sein, in denen der Verbraucher von der darlehensgewährenden Bank aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung einen Anspruch hat, dass er von ihr über die für sie zuständige Aufsichtsbehörde informiert wird (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2016, Az. XI ZR 434/15; BGH, Urteil vom 04.07.2017, Az. XI ZR 741/16).

In allen anderen Widerrufsfällen verbleibt es zur zeitlichen Begrenzung fortbestehender Widerrufsrechte wegen nicht ordnungsgemäßer Belehrung bzw. Information über das Widerrufsrecht bei der Vorschrift des § 242 BGB. Für diese wurde durch das Urteil die Bedeutung eines auf den konkreten Einzelfall bezogenen Sachvortrags im Gerichtsprozess (vgl. BGH, Urteile vom 12.07.2016, Az. XI ZR 501/15 und Az. XI ZR 564/15–; BGH, Urteil vom 11.10.2016, Az. XI ZR 482/15) zum Vorliegen einer Verwirkung und einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts gestärkt.