Geschäftsführer ist nicht gleich Geschäftsführer

In einem neuen Urteil zum GmbH-Recht hat der BGH hat klargestellt, dass ein Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen deren Gesellschaftergeschäftsführer, nicht dagegen gegen einen Fremdgeschäftsführer gerichtet werden kann (BGH, Urteil vom 08.11.2022 – II ZR 91/21).

Der Anspruch eines GmbH-Gesellschafters auf seine korrekte Eintragung in der Gesellschafterliste und damit auf Einreichung einer entsprechend aktualisierten bzw. berichtigten Gesellschafterliste besteht nach herrschender Auffassung nur gegenüber der Gesellschaft, nicht aber gegenüber deren Geschäftsführer. Entsprechendes gilt auch für den Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste. Der für das Gesellschaftsrecht zuständige 2. Senat des BGH hatte diese Frage bislang noch nicht explizit entschieden, nutzte aber den ihm nun zur Entscheidung vorgelegten Fall, um seine Auffassung zu den Anspruchsgegnern eines derartigen Unterlassungsanspruchs deutlich zu machen.

Zunächst stellt der BGH im Einklang mit der im Schrifttum und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung überwiegenden Meinung klar, dass dem Gesellschafter einer GmbH kein Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Unterlassung der Einreichung einer zu seinen Lasten materiell unrichtigen Gesellschafterliste zum Handelsregister zusteht. Denn der Anspruch des GmbH-Gesellschafters auf eine zutreffende Aufnahme in die Gesellschafterliste beruht auf der gesellschaftlichen Treuepflicht. Der Geschäftsführer der GmbH ist in seiner Eigenschaft als Gesellschaftsorgan jedoch allein der Gesellschaft gegenüber treuepflichtig; unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem einzelnen Gesellschafter und den Geschäftsführern der GmbH bestehen dagegen grundsätzlich nicht. Daran ändert auch die Zuständigkeit der Geschäftsführer gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zur Einreichung einer neuen Gesellschafterliste bei Veränderungen im Gesellschafterbestand nichts. Vielmehr folgt die Pflicht des Geschäftsführers, bei entdeckten Fehlern für die Berichtigung der Gesellschafterliste gegenüber dem Handelsregister zu sorgen, aus den allgemeinen Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers, nicht aber aus einer rechtlichen Beziehung des Geschäftsführers zu den Gesellschaftern. Anderes ergibt sich nach Auffassung des BGH auch nicht aus der in § 40 Abs. 3 GmbHG statuierten unmittelbaren Haftung des Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftern für eine Verletzung der Pflicht nach Abs. 1. Aus einem derartigen Schadenersatzanspruch könne nicht auf einen unmittelbaren primärrechtlichen Erfüllungsanspruch des Gesellschafters gegen den Geschäftsführer auf Einreichung einer korrekten Gesellschafterliste entsprechend § 40 Abs. 1 GmbHG geschlossen werden.

Anders liegt der Fall aber bei einem Gesellschaftergeschäftsführer: Dieser verletzt nämlich, wie der BGH ausführt, mit der Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste nicht nur seine Organpflichten gegenüber der Gesellschaft, sondern zugleich auch seine gesellschafterliche Treuepflicht, wenn und soweit er seine Befugnis, als Geschäftsführer der Gesellschaft eine geänderte bzw. berichtigte Liste einzureichen, missbraucht, indem er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen. Der eigennützige Befugnismissbrauch ist dabei eine wesentliche Anspruchsvoraussetzung, denn nicht jede sorgfaltswidrige Geschäftsführungsmaßnahme eines Gesellschaftergeschäftsführers stellt zugleich eine Verletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht dar. Die Treuepflicht dient dem Ausgleich widerstreitender Interessen des einzelnen Gesellschafters und der Gesellschaft bzw. der Mitgesellschafter untereinander. Missbraucht ein Gesellschafter seine Stellung als Geschäftsführer zur Durchsetzung eigennütziger Interessen, verletzt er damit seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Anders ist die Situation dagegen, wenn ein Gesellschaftergeschäftsführer ohne Vorliegen eines Interessenkonflikts ausschließlich im Interesse der Gesellschaft tätig wird und dabei nicht das erforderliche Maß an Sorgfalt walten lässt. In einem solchen Fall ist er nicht anders zu behandeln als ein Fremdgeschäftsführer.

Die Inanspruchnahme auch des Gesellschaftergeschäftsführers persönlich – neben der immer anspruchsverpflichteten Gesellschaft selbst – ist daher nach dem Urteil des BGH kein Automatismus, sondern immer abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls. Festzuhalten bleibt, dass eine Sorgfaltspflichtverletzung als Geschäftsführer nie zu einem Berichtigungs- oder Unterlassungsanspruch in Bezug auf eine fehlerhafte Gesellschafterliste führt, bei einem Gesellschaftergeschäftsführer aber im Falle des Missbrauchs der Geschäftsführerstellung zur Durchsetzung eigennütziger (Gesellschafter-)Interessen zugleich eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht darstellen kann und dann den Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste zum Handelsregister zu begründen vermag.