Darlehenswiderruf und Rechtsmissbrauch – ein scharfes Schwert für Kreditinstitute

Mit Urteil vom 01.10.2020 hat das Landgericht Köln zugunsten eines von CBH vertretenen Kreditinstituts entschieden, dass ein Widerruf wegen Rechtsmissbrauchs unbeachtlich ist, wenn der Darlehensnehmer nach dessen Zurückweisung durch das Institut 1,5 Jahre die Darlehensraten weiter entrichtet, bevor er Klage erhebt (15 O 140/20). Ein allgemein gehaltener Rückforderungsvorbehalt im Widerrufsschreiben ändere daran nichts.

Der Sachverhalt
Im Herbst 2018 widerrief der Darlehensnehmer seine auf den Abschluss verschiedener Immobiliardarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen, weil die Widerrufsfrist nach seiner Ansicht nicht in Gang gesetzt worden sei. Zur Rückabwicklung setzte er dem Institut eine zweiwöchige Frist. Die Widerrufe wurden vom Institut als verfristet zurückgewiesen, weitere Korrespondenz nicht geführt, die vereinbarten Darlehensraten im Folgenden weiter unbeanstandet im Lastschriftverfahren eingezogen. Erst das Urteil des EuGH vom 26.03.2020 erinnerte den Darlehensnehmer offenbar an seine Widerrufe, er reichte im April 2020 Klage ein.

Die Entscheidungsgründe
Nach überzeugender Darlegung des Landgerichts bildet das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, könne regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen seien (BGH, Urt. v. 12.7.2016 = WM 2016, 1930 Rdn. 43, juris, m.w.N.; OLG Stuttgart WM 2017, 430 = BKR 2017, 156, beck-online). Eine Rechtsausübung könne insbesondere unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergebe, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar sei und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erschienen (BGH, Urt. v. 7.5.2014 = BGHZ 201, 101 Rdn. 40 = WM 2014, 1030; v. 15.1 1.2012 = WM 2013, 47 Rdn. 12, juris; v. 12.7.2016 = WM 2016, 1835 Rdn. 20, juris; OLG Stuttgart WM 2017, 430 = BKR 2017, 156, beck-online). Das könne bei Vorliegen entsprechender – besonderer – Umstände auch dann der Fall sein, wenn ein besonderer Vertrauenstatbestand nicht begründet worden sei (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., S 242 Rdn. 49; BGH, Urt. v. 20.3.1986 = WM 1986, 608 Rdn. 47, juris; OLG Stuttgart WM 2017, 430 = BKR 2017, 156, beckonline). Gemessen an diesen Grundsätzen – so das Landgericht überzeugend weiter – erweise sich die Ausübung des Widerrufsrechts als rechtsmissbräuchlich. Im Widerspruch zu den Widerrufen und der Aufforderung zur Rückabwicklung stehe das anschließende Verhalten, knapp anderthalb Jahre das Darlehen weiter zu bedienen und das Darlehensverhältnis damit faktisch fortzuführen, bevor Klage erhoben werde. Für das Institut stelle sich die unverändert durch Lastschrifteinzug geleistete Rate als Rückkehr auf den Boden des Vertrages dar. Eingedenk des erheblichen Zeitablaufs komme dem mit dem Widerruf erklärten pauschalen Zahlungsvorbehalt keine Bedeutung (mehr) zu, sondern stelle sich lediglich als formale, durch Zeitablauf obsolet gewordene Aussage dar.

Die Einordnung
Das Urteil fügt sich nahtlos in die Rechtsprechung des OLG Köln ein. Dessen Beschluss vom 22.11.2019 (13 U 141/19 = LG Köln, Urteil vom 09.07.2019, 21 O 46/19) lag eine vergleichbare Konstellation zugrunde. Die Darlehensraten wurden hier bis zur Klage für die Dauer von rd. 2,5 Jahren weiter entrichtet. Rechtsmissbräuchlich handelt ein Darlehensnehmer nach der zwischenzeitlich als gefestigt anzusehenden und vom BGH bestätigten Rechtsprechung des OLG Köln auch, wenn er ein vermeintlich noch bestehendes Widerrufsrecht bzw. den Verweis darauf als Mittel einsetzt, um bessere Konditionen für den laufenden Darlehensvertrag vorzeitig zu erlangen. Das vermeintliche Widerrufsrecht werde hier zweckfremd eingesetzt (statt aller: OLG Köln 13 U 29/18 = BGH XI ZR 619/18 – ebenfalls in einem von CBH erstrittenen Fall).

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Paul H. Assies

Paul H. Assies

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