Anwendbarkeit des Kleinbeteiligtenprivilegs bei der Anfechtung der Rückzahlung eines Darlehens oder einer darlehensgleichen Forderung eines Gesellschafters

Der BGH hat mit Urteil vom 20. April 2023 (Az. IX ZR 44/22) entschieden, dass es für die Anwendbarkeit des Kleinbeteiligtenprivilegs von Minderheitsgesellschaftern einer GmbH allein darauf ankommt, ob die Voraussetzungen nach § 39 Abs. 5 InsO im relevanten Anfechtungszeitraum vorlagen.

Was war geschehen?

Der Beklagte war Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin und insgesamt mit 10 % am Stammkapital beteiligt. Neben dem Beklagten war ein Mehrheitsgesellschafter mit 90 % am Stammkapital beteiligt. Bis November 2017 war der Beklagte auch Geschäftsführer der Gesellschaft, welche am 4. April 2019 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellte. Die Verfahrenseröffnung erfolgte am 1. Juli 2019. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt und nimmt nun den Beklagten auf Rückzahlung einer Gewinnausschüttung in Anspruch. Die Gewinnausschüttung erfolgte aufgrund Gewinnverwendungsbeschluss aus Juni 2018, nachdem zunächst Gewinne aus den Vorjahren aufgrund Gesellschafterbeschluss aus Juni 2017 auf neue Rechnung vorgetragen wurden. Der Beklagte hatte den vorgenannten Beschlüssen jeweils, wie auch der Mehrheitsgesellschafter, zugestimmt.

Der Kläger und Insolvenzverwalter vertrat u. a. die Ansicht, dass es sich bei der Gewinnausschüttung von vorgetragenen Gewinnen um eine darlehensgleiche Forderung handele und der Beklagte sich nicht auf das Kleinbeteiligtenprivileg berufen konnte, da er zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung noch Geschäftsführer der Gesellschaft war. Die Gewinnausschüttung sei daher nach § 135 InsO, welcher die Anfechtbarkeit der Sicherung bzw. der Befriedigung von nachrangigen Gesellschafterdarlehen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO regelt, anfechtbar.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH entschied nun, dass eine Anfechtbarkeit im vorliegenden Fall ausgeschlossen sei, da sich der beklagte Minderheitsgesellschafter sehr wohl auf das Kleinbeteiligtenprivileg berufen könne und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen.

Das Kleinbeteiligtenprivileg nach § 39 Abs. 5 InsO regelt, dass ein Gesellschafter der mit 10 % oder weniger am Stammkapital einer GmbH beteiligt ist und auch nicht die Geschäftsführung innehat, nicht den Regelungen des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterfällt und somit auch nicht als nachrangiger Gläubiger zu betrachten ist. Zeitgleich ordnet § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO an, dass die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO anfechtbar ist, wenn diese im letzten Jahr vor Antragsstellung vorgenommen wurde. Fällt ein Gesellschafterdarlehen also unter das Kleinbeteiligtenprivileg so ist eine Anfechtbarkeit nach § 135 InsO ausgeschlossen, da dieses nicht als Gesellschafterdarlehen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu bewerten ist.

Vorliegend kommt es nach der Entscheidung des BGH auch nur darauf an, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kleinbeteiligtenprivilegs während des Anfechtbarkeitszeitraum (hier ein Jahr vor Antragsstellung) vorgelegen haben. Unschädlich ist, wenn der Minderheitsgesellschafter zum Zeitpunkt der Darlehensbegründung, noch Geschäftsführer der Gesellschaft war. Maßgeblich ist allein, dass er es im letzten Jahr vor Antragsstellung jedenfalls nicht mehr war. Das Kleinbeteiligtenprivileg greift somit vorliegend ein und eine Anfechtbarkeit ist ausgeschlossen.

Dem steht auch weder die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht entgegen, noch liegt eine koordinierte Finanzierung der Gesellschaft vor. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verfolgt nicht den Zweck der Masseerhaltung oder des Gläubigerschützes, sondern schützt allein die Interessen der Gesellschafter und der Gesellschaft untereinander. Eine koordinierte Finanzierung der Gesellschaft ist schon deshalb ausgeschlossen, weil der Beschluss über die Gewinnverwendung im üblichen Rahmen erfolgte und im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine überschießende unternehmerische Verantwortung vorlagen.

Fazit

Der BGH hat mit der vorliegenden Entscheidung einen weiteren Meinungsstreit aus dem Insolvenzrecht entschieden. Im Einklang mit dem gesetzgeberischen Willen im Zuge der Modernisierung des GmbH-Rechts hat er sich dafür entschieden, dass es für die Beantwortung der Frage, wann die Voraussetzungen für das Vorliegen des Kleinbeteiligtenprivilegs vorliegen müssen, allein auf den Anfechtungszeitraum ankommt. Für Minderheitsgesellschafter schafft dies Rechtsklarheit und ist zu befürworten.

Zeitgleich lässt der BGH aber auch die Frage offen, ob es sich bei der Zustimmung eines Minderheitengesellschafters zu einem Gewinnverwendungsbeschluss, welcher den Vortrag des Gewinnes auf neue Rechnung zum Gegenstand hat, überhaupt um eine wirtschaftlich einem Darlehen gleichgestellte Forderung im Sinne des § 135 InsO bzw. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO handelt. Im Falle der Ausschüttung eines zunächst vorgetragenen Gewinnes an einen Alleingesellschafter hatte der BGH die Einordnung als eine wirtschaftlich einem Darlehen gleichgestellte Forderung mit Urteil vom 22. Juli 2021 (Az. IX ZR 195/20) im Ergebnis bejaht.

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Johanna Gillert

Johanna Gillert

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