VG Regensburg: Datenschutzrechtliche Rechtsbehelfe in der DS-GVO abschließend. Aus für individuelle gerichtliche Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen?

Das VG Regensburg hat mit Urteil vom 06.08.2020 (Az.: RN 9 K 19.1061) entschieden, dass die DS-GVO datenschutzrechtliche Rechtsbehelfe abschließend regelt und allgemeine verwaltungsgerichtliche Klagen daneben nicht in Betracht kommen sollen. Unterlassungsklagen entsprechend §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB im Bereich des Datenschutzes sollen grundsätzlich nicht mehr möglich sein. Die Entscheidung birgt erhebliche Sprengkraft.

Sachverhalt

Der Kläger verlangte, die beklagte Stadt zur Unterlassung einer Videoüberwachung eines städtischen Gartens zu verurteilen, da diese in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife. Ein Eingriff liege nicht nur in den durch die Videoüberwachung gewonnenen Informationen, sondern auch in den Auswirkungen auf das Verhalten des Klägers, welcher den Garten dann meide oder sich dort unwohl und beobachtet fühle. Weiterhin verstoße die Überwachung gegen die Vorgaben des BayDSG. Die DS-GVO sei gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. d) nicht anwendbar, da es um Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gehe.

Die Stadt hatte die Videoüberwachung mit dem Hintergrund der vermeintlichen Eigenschaft des Gartens als krimineller Brennpunkt eingeführt. Die beklagte Stadt stellte sich auf den Standpunkt, die Videoüberwachung sei auf Grundlage von Art. 6 DS-GVO i.V.m. § 24 Abs. 1 BayDSG gerechtfertigt. Zweck sei vor allem, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten wie Vandalismus und Drogendelikte einzudämmen bzw. zu unterbinden. Das gesamte Konzept der Videoüberwachung sei restriktiv geregelt und auf die Rechte der Bürger sei nach besten Möglichkeiten Rücksicht genommen worden.

Entscheidung

Zunächst stellte das Gericht fest, dass der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO eröffnet sei. Die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von reinen Ordnungswidrigkeiten falle nicht unter Art. 2 Abs. 2 lit. d) DS-GVO. Vorliegend handele die Beklagte aber vorrangig als Ordnungsbehörde mit der Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch Abwehr von Gefahren durch Unterbindung und Beseitigung von Störungen aufrechtzuerhalten. Damit habe auch das Rechtsschutzsystem bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten seinen Ausgangspunkt in der DS-GVO.

Das VG erachtete die allgemeine Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage bereits als unzulässig. Diese sei im Anwendungsbereich der DS-GVO nicht mehr als statthaft anzusehen, unabhängig davon, ob der Kläger eine Rechtsverletzung und damit eine Klagebefugnis geltend machen könne.

Art. 79 DS-GVO schließe weitere gerichtliche Rechtsbehelfe gegen Verantwortliche und Auftragsverarbeiter aus, so dass Unterlassungsklagen nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB im Bereich des Datenschutzes grundsätzlich nicht mehr möglich seien. Nach dem Wortlaut des Art. 79 Abs. 1 DSGVO blieben nur andere „verwaltungsrechtliche“ oder „außergerichtliche“ Rechtsbehelfe unbeschadet, nicht aber gerichtliche Rechtsbehelfe.

Die Rechte betroffener Personen seien in Kapitel III der DS-GVO niedergelegt (Art. 12 bis 22 DSGVO). Diese individuellen, subjektiven Rechte der betroffenen Personen könnten gemäß Art. 79 DS-GVO unter dessen weiteren Voraussetzungen gerichtlich durchgesetzt werden könnten. Entsprechendes gelte für die in Art. 12 DS-GVO formulierten Pflichten des für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlichen. Jenseits dieser Normen gewähre die DS-GVO keine Rechte, zu deren Durchsetzung ein wirksamer Rechtsbehelf nach Art. 79 DSGVO zur Verfügung gestellt werden müsse. Insbesondere einen generellen Unterlassungsanspruch bezüglich einer verordnungswidrigen Verarbeitung wollte das VG der DS-GVO nicht entnehmen.

Nach alledem sei in Anbetracht der spezifischen Betroffenenrechte nach der DS-GVO für eine allgemeine Unterlassungsklage in der streitgegenständlichen Form von einer fehlenden Statthaftigkeit auszugehen. Das VG statuierte für den konkreten Fall zudem, dass alleine die Eigenschaft als Nutzungsberechtigter des Gartens keine eigene selbstständige Rechtsverletzung zu belegen vermöge, sodass eine Beschreitung des Klagewegs nach Art. 79 DS-GVO ebenfalls ausscheiden würde.

Die Klage wäre im Übrigen nur gestützt auf die Verordnungswidrigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Videoüberwachung auch unbegründet, wobei das Gericht im Ergebnis auch von einer datenschutzrechtlich legitimierten Datenverarbeitung ausging.

Anmerkung

Das VG hat sich in dieser langen Entscheidung ausführlich mit dem Rechtsschutzsystem der DS-GVO auseinandergesetzt. Ob es trotz aller Ausführlichkeit der Entscheidungsgründe eine richtige Entscheidung getroffen hat, erscheint fraglich. Der Brisanz seiner Entscheidung war sich das VG ersichtlich bewusst, hat es doch die Berufung zugelassen.

Wegen der Bedeutung der Sache erscheint eine im Berufungswege erfolgende Überprüfung der Entscheidung wahrscheinlich. Tendenziell wahrscheinlich ist auch, dass die Entscheidung des VG nicht halten wird, da diese die von der DS-GVO verfolgte Stärkung des Rechtsschutzes der Betroffenen in einem wesentlichen Punkt begrenzt. Die Frage der Geltendmachung von Rechten unter der DS-GVO wird zwar derzeit höchst intensiv diskutiert; in den relevanten Fällen geht es aber regelmäßig nicht um die Klagebefugnis der Betroffenen selbst, sondern die von Verbraucherschutzverbänden und insbesondere Wettbewerbern, wobei man insbesondere über die Klagebefugnis Letzterer in der Tat trefflich streiten kann.

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Dr. Sascha Vander, LL.M.

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