Rechtswidrige Presseberichterstattung über den Gesundheitszustand eines prominenten Sportlers

Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 14.03.2023 – VI ZR 338/21) klargestellt, dass eine Presseberichterstattung über einen Prominenten rechtswidrig sein kann, wenn die damit verbundenen Offenlegungen zwar vermeintlich nur Nebensächlichkeiten betreffen, sich daraus aber Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Betroffenen ziehen lassen.

Sachverhalt

Der Kläger ist mehrfacher Formel 1-Weltmeister. Er ist bei einem Skiunfall Ende 2013 schwer verunglückt. Seither ist er nicht mehr persönlich öffentlich aufgetreten. Die Beklagte betreibt die Onlineplattformen „maennersache.de“ und „intouch.wunderweib.de“. Auf diesen Plattformen veröffentlichte die Beklagte am 28. und 29.11.2018 Artikel unter Nennung des vollen Namens des Klägers. Die Artikel behandeln den Besuch eines hohen katholischen Geistlichen im Jahr 2016 bei dem Kläger (i. F. auch als „M“ bezeichnet) und beinhalteten insbesondere folgende Aussagen:

  1. „[…] Dann brachte ein Therapeut M ins Wohnzimmer.“
  2. Ich begrüßte M und hielt seine Hände, die warm waren.“
  3. Zum Abschied habe ich mit dem Daumen ein Kreuzzeichen auf seine Stirn gezeichnet und ihm mein Gebet versprochen.
  4. Ich saß ihm gegenüber, fasste ihn an beiden Händen und schaute ihn an. Sein Gesicht ist so, wie es alle kennen, das typische M-Gesicht. Nur ein wenig fülliger ist er geworden.“

Der Kläger nahm die Beklagte auf Unterlassung der Verbreitung ebenjener und weiterer Äußerungen in den Presseberichterstattungen auf den Onlineplattformen in Anspruch. Das Landgericht gab der Klage bezüglich der vorgenannten Aussagen statt, wies die Klage im Übrigen aber ab. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision.

Die Entscheidung des BGH

Die Revision des Klägers hatte teilweise Erfolg. Dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB analog i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK in Bezug auf die folgenden Textpassagen zu:

Dann brachte ein Therapeut M ins Wohnzimmer.

[] hielt seine Hände, die warm waren.“

Ich saß ihm gegenüber, fasste ihn an beiden Händen und schaute ihn an. Sein Gesicht ist so, wie wir es alle kennen, das typische M-Gesicht. Nur ein wenig fülliger ist er geworden.“

Die Veröffentlichung der Textpassagen verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung der Privatsphäre. Zur Privatsphäre gehörten grundsätzlich auch Angaben über den Gesundheitszustand eines Menschen. Die Passage, dass ein Therapeut M ins Wohnzimmer gebracht habe, enthalte die Information, dass der Kläger für einen solchen alltäglichen Weg Hilfe benötige. Auch wenn der Umfang der Hilfestellung unklar bleibe, so erfahre der Leser dennoch, dass die motorischen Fähigkeiten des Klägers nach seinem Unfall noch nicht wieder soweit hergestellt seien, dass er das Wohnzimmer alleine betreten könnte. Insoweit würden also Informationen über den Gesundheitszustand des Klägers verbreitet. Ebenso verhalte es sich hinsichtlich der Äußerung, dass die Hände des Klägers warm gewesen seien. Denn die Schilderung „warme Hände“ lasse den Schluss auf eine Körperfunktion zu, nämlich die gute Durchblutung der Hände. Gleichsam verhalte es sich mit der Äußerung, dass das Gesicht des Klägers so sei „wie wir es alle kennen“, es nur etwas fülliger geworden sei. Diese Angabe vermittele nämlich die Information, dass das Gesicht des Klägers infolge des Unfalls jedenfalls nicht in einer solchen Weise in Mitleidenschaft gezogen worden sei, dass der Kläger für Personen, die ihn vor dem Skiunfall kannten, nicht mehr wiederzuerkennen wäre.

Es sei auch nicht von einer Selbstöffnung des Klägers auszugehen. Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme könne zwar dort entfallen, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt habe, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht würden. Dies könne vorliegend jedoch nicht angenommen werden. Zwar habe die Managerin der Familie des Klägers im Dezember 2015 als Reaktion auf eine anderslautende Presseberichterstattung öffentlich mitgeteilt, es entspräche nicht der Wahrheit, dass der Kläger wieder gehen könne. Hierbei handele es sich aber bloß um eine Richtigstellung einer falschen Presseberichterstattung. Eine solche könne nicht dazu führen, dass dadurch ein konsistent verschlossener Bereich für eine öffentliche Berichterstattung eröffnet würde.

Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die o. g. Äußerungen sei auch rechtswidrig. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sei nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiege. Da die Äußerungen der Beklagten die Privatsphäre des Klägers beträfen, sei ungeachtet ihrer Wahrheit von entscheidender Bedeutung, ob sie sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen ließen. Je größer dabei der Informationswert für die Öffentlichkeit sei, desto mehr müsse das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert werde, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Von erheblicher Bedeutung sei außerdem, welche Rolle dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukomme. Eine in der Öffentlichkeit unbekannte Privatperson könne einen besonderen Schutz ihres Privatlebens beanspruchen, nicht aber eine Person des öffentlichen Lebens.

Zwar seien die gegenständlichen Angaben bei einem gesunden Menschen bloße Nebensächlichkeiten und kaum berichtenswert. Dies sei aber bei einer in der Öffentlichkeit überaus bekannten Person, deren konkretes Aussehen und konkreter gesundheitlicher Zustand seit einem mehrere Jahre zurückliegenden Skiunfall nur dem engen persönlichen Umfeld bekannt sei, anders. In diesem Fall seien auch solche begrenzten Einblicke geeignet, Erkenntnisse über den körperlichen Zustand des Klägers und den Verlauf seiner Genesung zu gewinnen. Der in den Artikeln geschilderte Gesundheitszustand des Klägers liege für den Leser auch nicht schon deshalb auf der Hand, weil die Familie des Klägers die vorangegangene mediale Schlussfolgerung, der Kläger sei ein Pflegefall, nicht dementiert habe. Denn mit der pauschalen Angabe, der Kläger sei ein Pflegefall, sei nicht die Vorstellung von einem spezifischen körperlichen Zustand oder konkreten körperlichen Einschränkungen verbunden. Die gegenständliche Berichterstattung vermittele den Eindruck, dass sich der Kläger in einem gebrechlichen und hilfebedürftigen Zustand befinde. Diese konkreten Angaben über den Gesundheitszustand des Klägers, die dem Leser sein Schicksal plastisch verdeutlichen, hätten in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Daran könnten die vorhandenen Umstände, die ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründen, insbesondere der hohe Bekanntheitsgrad des Klägers und die Tatsache, dass er durch einen öffentlich bekannt gewordenen Skiunfall in diese Lage geraten sei, nichts ändern.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH ist begrüßenswert, da damit der Schutz der Privatsphäre bekannter Personen in einem sensiblen Bereich gestärkt wird. Der BGH betont darin, dass auch die Berichterstattung über vermeintliche Nebensächlichkeiten die Privatsphäre Betroffener in rechtswidriger Weise verletzen kann, wenn sich daraus Rückschlüsse über dessen Gesundheitszustand ziehen lassen können. Ebenso betont der BGH, dass die bloße Richtigstellung einer falschen Presseberichterstattung nicht zu einer Selbstöffnung hinsichtlich der betroffenen Tatsachen führen kann. Gleichwohl ist auch in vergleichbaren Fällen zur Ermittlung der Rechtmäßigkeit einer Presseberichterstattung jeweils eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls durchzuführen.

Der BGH hat den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob der Kläger in die Verbreitung der Informationen durch den Geistlichen eingewilligt habe.