Persönlichkeitsschutz vs. Rechtsstaatsgebot: Veröffentlichung eines BGH-Urteils nach zwei Jahren

Mehr als zwei Jahre hat es gedauert, bis das Urteil in einer Auseinandersetzung zwischen einem Juraprofessor und einem juristischen Fachverlag durch den BGH veröffentlicht wurde (Urteil vom 20.12.2018, Az. I ZR 133/17). Grund war, dass der an sich siegreiche Kläger versuchte, die Veröffentlichung des zwar anonymisierten, aber detailreichen Urteils auf dem Verwaltungsrechtsweg zu verhindern.

In der Sache beschäftigte sich der Rechtstreit mit der Rechtmäßigkeit der Beendigung eines Verlagsvertrags. Der Kläger hatte als Bearbeiter an einem juristischen Kommentar mitgewirkt. In Zuge dessen entspannten sich zwischen dem Verlag und dem Kläger Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Pünktlichkeit der Abgabe, die schließlich darin mündeten, dass der Verlag die Zusammenarbeit beenden wollte. Zur Kündigung berief er sich auf eine Klausel im Vertrag, die der BGH jedoch als nach AGB-Recht unwirksam einstufte.

Dennoch wehrte sich der Kläger gegen die Veröffentlichung des ihm Recht gebenden Urteils, da er befürchtete, durch die umfangreichen Feststellungen trotz Anonymisierungen identifiziert zu werden und hierdurch seinen Ruf gefährdet sah. Er nahm hierzu Eilrechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch. Der BGH sah daher während der Dauer des Verfahrens von einer Veröffentlichung ab. Mit Beschluss vom 10.7.2020 (Az. 2 S 623/20) entschied nun jedoch abschließend der VGH Mannheim, dass für ein derartiges Begehr wegen § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG bereits der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet war.

Der Fall offenbart ein Spannungsfeld zwischen der Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen, die das BVerfG aus dem Rechtsstaatsgebot mitsamt der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und dem Grundsatz der Gewaltenteilung herleitet (Beschluss vom 14.9.2015 – 1 BvR 857/15) und Persönlichkeitsrechten Beteiligter. Je nach Detailreiche und Individualität der Feststellungen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass durch Gerichtsurteile reputationsschädigende oder als privat eingestufte Umstände über eine Person öffentlich bekannt werden. Noch stärker trat diese Gefahr bei der mittlerweile aufgrund der DS-GVO beendeten Praxis des EuGH zutage, dort anhängige Rechtssachen nach den Namen der Parteien zu benennen und diese auch im Urteil nicht zu anonymisieren. Der vorliegende Fall, bei dem der wiedergegebene Sachverhalt auch grundsätzlich unstreitig war, betraf allerdings die berufliche Tätigkeit und somit Vorgänge aus der Sozialsphäre des Klägers. Derartige Offenbarungen muss ein Betroffener nach der Rechtsprechung des BVerfG jedoch grundsätzlich hinnehmen. Zudem war es die eigene Entscheidung des Autors, den Klageweg zu suchen. Das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Rechtspflege und -fortbildung dürfte daher überwiegen. Insofern darf hinterfragt werden, ob seitens des BGH berechtigterweise Anlass bestand, die Veröffentlichung zwei Jahre zurückzuhalten.