Made in Germany – oder doch wesentliche Produktionsschritte im Ausland?

In seinem Beschluss vom 17.08.2020 hat das OLG Frankfurt a.M. (Az. 6 W 84/20) festgestellt, dass der Verkehr bei Herkunftsangaben in Bezug auf industriell gefertigte Produkte davon ausgehe, dass sich diese auf den Ort der Herstellung der Ware beziehe, an dem das Produkt seine für die Verkehrsvorstellung maßgebende Qualität und charakteristischen Eigenschaften erhalte.

Sachverhalt

In dem vorliegenden Beschwerdeverfahren im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes hatte das OLG Frankfurt a.M. über Ansprüche einer Wettbewerberin gegen eine Solarmodulherstellerin zu entscheiden.

Die Antragsgegnerin hatte auf ihrer Internetseite, in Prospekten sowie Datenblättern mit verschiedenen Werbeaussagen in Bezug auf Solarmodule geworben, die aus Sicht der Wettbewerberin einen Wettbewerbsverstoß darstellten. So warb die Antragsgegnerin mit den folgenden Aussagen

  1. Solarmodul-Hersteller – Seit 2004“ in unmittelbarer räumlicher Nähe zu einem Zeichen bestehend aus den blockmäßig angeordneten, nacheinander folgenden Farben „schwarz-rot-gelb“ oder „schwarz-rot-gold“,
  2. GERMAN – A – QUALITY STANDARD“ in unmittelbarer räumlicher Nähe zu einem abgebildeten Solarmodul,
  3. Deutsches Unternehmen – wir bürgen für die Qualität der von uns hergestellten Module“ sowie
  4. A B – Seit 2004 stellt A Solarmodule in deutscher Ingenieursqualität her. Vom Hauptsitz in Stadt1 liefert und installiert A Solarelemente weltweit.“.

 

Entscheidung

Die Beschwerde der Antragstellerin vor dem OLG Frankfurt a.M. hat Erfolg. Der Senat bestätigt sowohl einen Verfügungsgrund als auch einen Verfügungsanspruch. Die Antragstellerin habe gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung der angeführten Aussagen gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 UWG.

Das OLG stellt in erster Linie fest, dass Fachkreise sowie Endverbraucher Adressaten der in Rede stehenden Werbematerialien seien. An Solarmodulen interessierte Verbraucher würden genauso wie Fachbetriebe auf den Internetauftritt der Antragsgegnerin stoßen, mit dem sie sich konkret auch an Verbraucher richte. So bezeichne sie dort nämlich u.a. ihre Solarmodule für Wohngebäude als „das optimale Solarmodul für Ihr Hausdach“. Auch, wenn die Verbraucher entsprechende Module nicht direkt bei der Antragsgegnerin bestellen könnten, könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie bei einem Fachbetrieb ihre Produkte nachfragten. Des Weiteren sei auch davon auszugehen, dass die in Rede stehenden Produktbroschüren von Fachbetrieben an Endkunden weitergegeben würden.

Der Senat ist der Auffassung, dass der Durchschnittsverbraucher die angegriffenen Aussagen dahingehend verstehe, dass die Solarmodule der Antragsgegnerin in Deutschland produziert würden. Insbesondere würde der Verbraucher die Angabe nicht als ausschließlichen Hinweis auf den Unternehmenssitz der Antragsgegnerin auffassen.

Weiter führt er aus, dass die Gestaltung der Angabe „Solarmodul-Hersteller- Seit 2004“ in Form eines Siegels in Verbindung mit einer stilisierten Deutschland-Flagge dem Verbraucher den Eindruck vermittle, die Solarmodule würden in Deutschland hergestellt. Zwar sei dem Verbraucher bewusst, dass eine Vielzahl von inländischen Industrieunternehmen auch in Fernost produzierten, jedoch gehe er davon aus, dass ein Unternehmen, welches sich als Hersteller mit einem deutschen Flaggensymbol bezeichne, auch in Deutschland produziere.

Zudem vermittle auch die siegelartig eingebettete Aussage „GERMAN – A – QUALITY STANDARD“ in ihrer Gesamtgestaltung den Eindruck, die Solarmodule würden in Deutschland hergestellt. In diesem Zusammenhang macht der Senat deutlich, dass gerade die Verwendung von Qualitätssiegeln in Verbindung mit einer Angabe „German“ bei dem Verkehr den Eindruck einer besonderen Qualitätsgarantie durch die Antragsgegnerin als deutsches Herstellungsunternehmen hervorrufe. Es sei auch hier davon auszugehen, dass der Verkehr die Angabe nicht als bloßen Hinweis auf den Unternehmenssitz, sondern den Produktionsstandort auffasse.

Gleiches gelte für die weitere Angabe „Deutsches Unternehmen – wir bürgen für die Qualität der von uns hergestellten Module“. Gerade die Verbindung der Angaben „Deutsches Unternehmen“ und „von uns hergestellt“ werde als Hinweis auf den Standort der Produktion verstanden. Die entsprechende Ansicht vertritt das OLG auch in Bezug auf die Angabe „A B – Seit 2004 stellt A Solarmodule in deutscher Ingenieursqualität her. Vom Hauptsitz in Stadt1 liefert und installiert A Solarelemente weltweit.“. Hier führe die Verbindung der Angaben „deutsche Ingenieursqualität“ und „Hauptsitz in Stadt1“ dazu, dass der Verkehr davon ausgehe, dass die Produktion der entsprechend beworbenen Solarmodule in Deutschland erfolge.

Diese Verkehrsauffassungen deckten sich jedoch nicht mit der realen Sachlage, da die Antragsgegnerin Solarmodule im inner- und außereuropäischen Ausland fertigen lasse. Der Senat stellt in diesem Kontext klar, dass unerheblich sei, ob die Antragsgegnerin einen Teil ihrer Solarmodule in Deutschland fertigen lasse, da sie mit den angegriffenen Angaben sämtliche Module bewerbe.

Das OLG konstatiert, dass für die Richtigkeit von Angaben, die Deutschland als Herstellungsort bezeichneten, notwendig aber auch ausreichend sei, dass diejenigen Leistungen in Deutschland erbracht würden, durch die das zu produzierende Industrieerzeugnis seine aus Sicht des Verkehrs im Vordergrund stehenden qualitätsrelevanten Bestandteile oder wesentlichen produktspezifischen Eigenschaften erhalte. Dem Verkehr sei bekannt, dass Bestandteile der Produktion auch in anderen Ländern erfolgten, weshalb er nicht davon ausgehe, dass alle Produktionsvorgänge am selben Ort durchgeführt würden. Jedoch wisse der Verkehr auch, dass industriell gefertigte Erzeugnisse ihre Qualität und charakteristischen Eigenschaften in aller Regel allein oder jedenfalls ganz überwiegend der Güte und Art ihrer Verarbeitung verdankten. Aus diesem Grund beziehe der Verkehr eine Herkunftsangabe bei einem entsprechenden Erzeugnis grundsätzlich auf den Herstellungsort, an welchem das Erzeugnis seine für die Verkehrsvorstellung maßgebende Qualität und charakteristischen Eigenschaften erhalten habe.

Es stellt zudem klar, dass planerische und konzeptionelle Leistungen nicht als wesentliche Schritte der Produktion qualifiziert werden könnten. Aus Sicht der Verbraucher zählten zu den für die Qualität maßgeblichen wesentlichen Produktionsschritte ebenfalls Verarbeitungsvorgänge. Ausreichend sei hierbei nicht, dass Kontakt mit deutschen Prüfpartnern bestünde oder deutsche Mitarbeiter die Produkte vor Ort im Ausland überwachten.

Abschließend stellt der Senat fest, dass die angegriffenen Angaben eine Fehlvorstellung beim Verbraucher hervorriefen, die geeignet sei, diesen zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte, nämlich sich für die Produkte der Antragsgegnerin zu entscheiden, weil diese vermeintlich in Deutschland produziere.

Quelle: OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 17.08.2020, Az. 6 W 84/20