LG Hannover – Bloßstellung und DSGVO-Schmerzensgeld infolge unzutreffender Negativeinträge

Das LG Hannover hat einem Betroffenen, der sich gegen einen rechtswidrig erfolgten Negativeintrag zur Wehr setzte, einen datenschutzrechtlichen Schadensersatzanspruch in fünfstelliger Höhe zugesprochen.

Sachverhalt

Die Parteien stritten vor dem Landgericht Hannover (Urt. v. Urteil vom 14.02.2022 – 13 O 129/21) um Schmerzensgeld aufgrund eines Negativeintrags zu Lasten des Klägers in der Auskunftei der Beklagten.

Der Kläger hatte mit einem TK-Unternehmen unter der Meldeadresse seiner Eltern einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen, den sein Bruder nutzte. Im November / Dezember 2017 konnten die fälligen Beträge aus dem Vertragsverhältnis von dem TK-Unternehmen nicht abgebucht werden. Der Kläger wohnte zu dieser Zeit bereits nicht mehr bei seinen Eltern. Das TK-Unternehmen veranlasste wegen der Forderungen im Januar 2018 einen Negativeintrag bei der Beklagten. Zum April 2018 kündigte das TK-Unternehmen den Vertrag. Anlässlich eines Besuchs bei seinen Eltern erfuhr der Kläger dann im März 2018 durch ein Inkasso-Schreiben von der Forderung. Im April 2018 glich der Kläger die Forderung aus. Im April 2019 nahm er Kontakt zur Beklagten auf, um den Negativeintrag löschen zu lassen. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 12.04.2019 ab und verwies darauf, dass Postrückläufer nicht zu verzeichnen gewesen seien.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.06.2019 ließ der Kläger das TK-Unternehmen und die Beklagte vergeblich zur Löschung bzw. zum Widerruf der Datenmeldung auffordern. Mit Klageschrift vom 28.05.2020 reichte der Kläger beim Landgericht Hannover Klage auf Löschung des Negativeintrages ein; es erging ein Anerkenntnisurteil.

Da der Negativeintrag am 04.03.2021 noch immer gespeichert war, ließ der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 09.03.2021 zur Erfüllung des Anerkenntnisurteils auffordern. Mit Schreiben vom 15.03.2021 teilte die Beklagte mit, dass die Löschung vorgenommen sei; er war in einer Auskunft vom 07.09.2021 nicht mehr enthalten. Mit Schreiben vom 23.03.2021 ließ der Kläger von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 17.500,00 € fordern, dessen Zahlung die Beklagte mit Schreiben vom 09.04.2021 ablehnte.

Der Kläger nahm die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch, die er der Höhe nach in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts stellte, wobei der Kläger – abgestuft nach Zeitpunkten und der Dauer der Verletzung des behaupteten Verletzungshandlung zunehmend gestaffelt – Mindestschadensersatz zwischen EUR 1.000,00 und EUR 7.000,00 forderte.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Eintrag nicht rechtswidrig gewesen sei, weil die Mahnungen des TK-Unternehmens an die Eltern des Klägers übersandt und ihm damit auch ohne seine Kenntnis zugegangen seien. Zudem habe der Kläger keinen kausalen Schaden nachgewiesen. Schließlich treffe die Beklagte bis zum Anerkenntnisurteil auch kein Verschulden. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass der Eintrag des TK-Unternehmens rechtmäßig gewesen sei.

Entscheidung

Das LG Hannover sprach dem Kläger im Ergebnis Schadensersatz in Höhe von EUR 5.000,00 auf Grundlagen von Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.

Die von dem TK-Unternehmen veranlassten Negativeinträge hätten den Kläger rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Beklagte habe gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO durch die nicht im Sinne der Vorschrift rechtmäßige Datenverarbeitung verstoßen, weil diese gemessen an §§ 28a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a), 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG a.F. bzw. § 31 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a) BDSG n.F. mangels nachgewiesener Mahnungen des Klägers durch die TK-Unternehmen nicht rechtmäßig gewesen seien.

Soweit der Kläger mithin in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sei, bedürfe es keiner Feststellung, dass es sich dabei um eine schwerwiegende handelt. Anders als für die Zubilligung eines Schmerzensgeldes nach §§ 823 Abs. 1, 249, 253 BGB, Art 1 und 2 GG werde eine solche von Art. 82 GG nicht vorausgesetzt.

Die Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt. Sie hätte jedenfalls Anlass zur Prüfung einer Eintragungsrechtfertigung bzw. eines Zugangs der betroffenen Mahnungen gehabt, nachdem ihr der Kläger im April 2019 mitgeteilt hatte, dass er nicht gemahnt worden sei, die Voraussetzungen für die Negativeinträge also – jedenfalls aus seiner Sicht – nicht vorlagen. Soweit sie mangels der Kenntnis der Problematik der Mahnungen und ihres Zugangs beim Kläger deswegen bis dahin i.S.v. Art. 82 Abs. 3 DSGVO exkulpiert gewesen sei und (noch) nicht schuldhaft gehandelt habe, gelinge ihr das für die Zeit ab April 2019 nicht mehr und das Verschulden der Beklagten seitdem sei zu vermuten.

Der Kläger hat auch einen immateriellen Schaden erlitten. Es könne dahinstehen, ob auch unter Berücksichtigung des weiten Schadensbegriffs nicht bereits jeder Verstoß gegen die DSGVO zu einer Ausgleichspflicht führt, weil der Verpflichtung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens eine benennbar und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsverletzung gegenüberstehen müsse. Denn jedenfalls eine in einer unrechtmäßigen Zugänglichmachung von Daten liegenden „Bloßstellung“ stelle eine solche dar. Die Beklagte habe daran gemessen, die mit den Negativeinträgen verbundenen Daten ihren Vertragspartnern zum Abruf bereit- und schon dadurch den Kläger „bloßgestellt“. Darauf, ob die Negativeinträge auch dazu führten, dass dem Kläger kein Kredit oder ein solcher zu anderen (schlechteren) Bedingungen gewährt wurde als er ohne die Einträge gewährt worden wäre, komme es indes für den immateriellen Ersatzanspruch nicht an.

Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtfertige und erfordere die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von EUR 5.000,00. Die Daten zur Bonität des Klägers seien schützenswerte und sensible Daten, die sowohl seine berufliche Tätigkeit als auch seine Kreditwürdigkeit im privaten Rahmen beträfen. Sie könnten maßgeblichen negativen Einfluss auf die Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr in diesen Bereichen haben. Für die Bemessung des Schmerzensgeldes seien die Negativeinträge seit April 2019 bis zur Löschung wohl kurz nach dem 04.03.2021 zu berücksichtigen und hatten damit ungefähr zwei Jahre Bestand. Es sei allerdings zu berücksichtigen, dass der Kläger eine zu den Negativeinträgen führende Ursache selbst gesetzt habe. Dadurch, dass er der TK-Unternehmen die Änderung seiner Adresse nicht mitgeteilt hat, habe er ihr die Möglichkeit genommen, ihn mit ihren Mahnungen auf dem zwar im Hinblick auf den Nachweis des Zugangs riskanten, aber immerhin ganz üblichen Versandweg eines einfachen Briefs auch zu erreichen.

Anmerkung

Die Entscheidung des LG Hannover zeigt einmal mehr, dass bei Negativmeldungen an Auskunfteien Vorsicht geboten ist und die gesetzlichen Spielregeln für solche Meldungen dringend einzuhalten sind. Dass negative Meldungen – insoweit ist dem LG Hannover zu folgen – deutlich negative Auswirkungen auf Betroffene haben können, steht außer Frage. Ob man einen Negativeintrag unmittelbar als „Bloßstellung“ im Sinne der DSGVO zu verstehen haben muss, steht dabei auf einem anderen Blatt. Mit Blick auf die tatsächliche Relevanz von Auskunfteien und Bonitätsabfragen erscheint eine solche Wertung im Falle unberechtigter Einträge von Negativmerkmalen allerdings sehr gut vertretbar.

Das hier vom Gericht mit EUR 5.000,00 angesetzte Schmerzensgeld bewegt sich in einem durchschnittlichen Bereich, wobei die Erwägungen des Gerichts für die Bemessung des Ausgleichsanspruch durchaus berechtigt scheinen. Vor allem die nicht unerhebliche Dauer des Rechtsverstoßes und die praktische Relevanz von Auskunfteien können für den Betroffenen durchaus erhebliche Negativwirkungen nach sich ziehen, wobei es für den Betroffenen besonders kritisch ist, dass sich die Abfragen regelmäßig im Hintergrund und ohne Kenntnis des Betroffenen in Bezug auf fehlerhafte Einträge abspielen können.

Auch wenn sich das Verfahren vorliegend gegen eine Auskunftei selbst richtete, sollten sich Unternehmen allgemein der Gefahr unzutreffender Negativmitteilungen und der dann vergleichsweise einfachen Begründung von Ersatzansprüchen unter der DSGVO bewusst sein – andernfalls kann eine voreilige Meldung teuer werden.

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Dr. Sascha Vander, LL.M.

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