Grundpreis und Gesamtpreis – OLG Hamburg legt Preisangabenverordnung einschränkend aus

Das OLG Hamburg entschied mit Urteil vom 25.6.2020 (Az. 3 U 184/19), dass das in § 2 Abs. 1 Satz 1 Preisangabenverordnung genannte Kriterium der „unmittelbaren Nähe" über die Mindestanforderungen der Preisangabenrichtlinie 98/6/EG hinausgeht und deshalb richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass dieses Kriterium nicht zu berücksichtigen ist. Der Gesamtpreis und der Grundpreis (Preis je Maßeinheit) müssen lediglich unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar angegeben werden.

Hintergrund

Die Preisangabenverordnung (PAngV) schreibt unter anderem vor, dass Preise gegenüber Letztverbrauchern immer einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile anzugeben sind (Endpreise). Des Weiteren schreibt sie in vielen Fällen vor, Grundpreise anzugeben, wie sie etwa aus dem Lebensmittelregal im Supermarkt bekannt sind, wo neben den Endpreisen der Waren auch die Preise, umgerechnet auf die jeweils übliche Grundeinheit (Liter, Kilogramm, Meter etc.), angegeben sind. Der Verbraucher soll durch die Angabe des Grundpreises eine leichtere Übersicht über die Preisgestaltung und damit eine vereinfachte Möglichkeit zum Preisvergleich haben.

Um die Verpflichtung zur Art und Weise der Angabe des Grundpreises nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV ging es in vorliegendem Verfahren. Verstöße gegen diese Verpflichtung können von Mitbewerbern oder berechtigten Verbänden als wettbewerbswidrig abgemahnt werden.

Entscheidung

Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erstritt ein Wettbewerbsverein eine einstweilige Verfügung gegen einen Onlinehändler, der als gewerblicher Verkäufer Waren auf „Google Shopping“ anbot. Das Landgericht Hamburg untersagte dem Onlinehändler Preiswerbungen, „für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) und der Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar angegeben werden“. Der Onlinehändler erhob wegen des Klammerzusatzes „in unmittelbarer Nähe“ erfolglos Widerspruch. Vor dem OLG Hamburg machte der Onlinehändler sodann mit seiner Berufung geltend, dass die Vorgabe in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV europarechtskonform ausgelegt werden müsse. Das OLG Hamburg entschied zugunsten des Onlinehändlers, dass das in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV genannte Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ über die Preisangabenrichtlinie hinausgehe und vor dem Hintergrund der Vorrangregelung des Art. 3 Abs. 4 UGP-Richtlinie 2005/29/EG sowie der bereits Juni 2013 ausgelaufenen Übergangsregelung in Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der UGP-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass das Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ in § 2 PAngV zu ignorieren ist.

Denn Zweck der Übergangsregelung sei es, nach Ablauf der Übergangsfrist im Interesse einer Rechtsangleichung in der EU diese nationalen Vorschriften auszuschließen, die lediglich aufgrund einer Mindestangleichungsklausel erlassen oder beibehalten werden durften, aber restriktiver oder strenger sind als die Preisangabenrichtlinie selbst.

Ausblick

Eine Überarbeitung des § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV wurde bislang nicht veranlasst. Die Entscheidung des OLG Hamburg reiht sich ein in vorangegangene, ähnliche Entscheidungen zur richtlinienkonformen Auslegung und Nichtberücksichtigung des Kriteriums der „unmittelbaren Nähe“ des OLG Naumburg (Urt. v. 9.4.2015 – 9 U 98/14), des LG Oldenburg (18.4.2019 – 15 O 494/19) sowie des gleichen Senats des OLG Hamburgs (Beschl. v. 22.4.2020
– 3 U 154/19). Der Bundesgerichtshof hat sich zum Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ im Wortlaut des § 2 Abs. 1 PAngV nicht geäußert, obwohl er mehrfach bereits die Gelegenheit für ein obiter dictum (bspw. BGH Urt. v. 28.3.2019 – I ZR 85/18 – Kaffeekapseln) gehabt hätte. Insofern ist vor dem Hintergrund der bestehenden Rechtsunsicherheit eine weitere OLG-Entscheidung begrüßenswert, um Unternehmen eine Richtung zu weisen, wie nun der Grundpreis letztendlich angegeben werden muss.

Nach der Ansicht der vorstehenden OLG-Rechtsprechung muss der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit (Grundpreis), soweit die Angabe nach der PAngV erforderlich ist, nur unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Eine räumliche Nähe erfordert diese Trias nicht zwingend. Ob die klare Erkennbarkeit der Grundpreisangabe danach möglicherweise nur durch Angabe in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises hergestellt werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls und ermöglicht Unternehmen somit mehr Spielraum bei der Angebotsgestaltung.

Rechtsanwältin Lucie Ludwig
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