Erste Entscheidungen zum Abstandsgebot (§ 25 GlüStV) bei Spielhallen

Nachdem sowohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12) als auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 16.12.2016 - 8 C 6.15) die §§ 24, 25 GlüStV sowie die Abstandsregelung aus zwei Landesgesetzen für vereinbar mit Verfassungs- und Europarecht erklärt haben, stellen das Urteil des VG Oldenburg vom 16.05.2017 - 7 A 14/17 - und der Beschluss vom 24.05.2017 - 7 B 2896/17 - die ersichtlich ersten Entscheidungen dar, die sich mit den inhaltlichen Anforderungen an die behördliche Auswahlentscheidung nach § 25 GlüStV befassen.

Ausgangspunkt der Entscheidungsgründe ist, dass die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle nach § 24 Abs. 1 GlüStV unbeschadet sonstiger Genehmigungserfordernisse ab dem 01.07.2017 einer eigenen glücksspielrechtlichen Erlaubnis bedürfen. Bislang erteilte Erlaubnisse nach § 33i GewO führen lediglich dazu, dass die Spielhalle bis zu diesem Zeitpunkt als mit den §§ 24 und 25 GlüStV vereinbar gilt (§ 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV). Nach § 25 Abs. 1 GlüStV ist zwischen Spielhallen ein Mindestabstand einzuhalten. Gemäß § 10 Abs. 2 Sätze 1 und 2 NGlüSpG muss dieser in der Luftlinie mindestens 100 m betragen. In § 25 Abs. 2 GlüStV ist zudem die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, ausgeschlossen.

Das VG Oldenburg stellt zunächst fest, dass die ablehnende Auswahlentscheidung nach § 25 Abs. 1 und 2 GlüStV vom Abgelehnten nur dann gerichtlich überprüft werden kann, wenn dieser eine rechtzeitige Drittanfechtungsklage gegen eine bereits erteilte Erlaubnis erhoben hat. Anderenfalls stünde die Wirksamkeit und ggf. Bestandskraft der Erlaubnis des Konkurrenten der Zulassung eines weiteren Bewerbers im Abstandsbereich der Erteilung einer Erlaubnis für eine weitere Spielhalle von vornherein entgegen.

Für die Auswahlentscheidung selbst verlangt das VG Oldenburg, dass diese nach sachlichen Gesichtspunkten zu treffen sei. Welche Kriterien die zuständige Behörde hierbei anwendet und wie sie diese allgemein und im konkreten Einzelfall gewichtet, stehe grundsätzlich in ihrem gerichtlich nur beschränkt nachprüfbaren Ermessen. Hierbei können die in § 1 GlüStV geregelten Ziele (vgl. hierzu auch Ruttig, ZfWG 2017, Heft 3/4, im Erscheinen begriffen) sowie Härtefallgesichtspunkte, wie sie der Befreiungsregelung in § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV zu Grunde liegen, in die jeweiligen Erwägungen einzubeziehen sein.

Im Weiteren nimmt das Verwaltungsgericht Bezug auf die Ausführungen des BVerfG im Beschluss vom 07.03.2017:

„Insbesondere kann zur Konturierung der Auswahlkriterien zunächst auf die Regelung zur Härtefallbefreiung nach § 12 Abs. 2 SSpielhG zurückgegriffen werden, so dass im Rahmen der Auswahlentscheidung etwa auch die Amortisierbarkeit von Investitionen berücksichtigt werden kann. Auch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung, dass bei der Auswahlentscheidung die mit der Neuregelung verfolgten und in § 1 Abs. 1 SSpielhG niedergelegten Ziele zu beachten sind.

Der Gesetzgeber kann die Bewältigung der vielgestaltigen Auswahlkonstellationen anhand sachgerechter Kriterien den zuständigen Behörden überlassen, da eine ausdrückliche gesetzliche Regelung soweit ersichtlich nur ein geringes Mehr an Bestimmtheit und Rechtsklarheit schaffen könnte. Auch soweit etwa in Innenstädten oder Stadtteilzentren aufgrund der dort bestehenden Gemengelage eine Vielzahl von Konkurrenzsituationen aufgelöst werden muss, erfordert der Vorbehalt des Gesetzes daher jedenfalls derzeit keine ausdrückliche gesetzgeberische Festlegung der maßgeblichen Auswahlparameter, etwa hinsichtlich der Frage, von welchem Fixpunkt die Auswahlentscheidung auszugehen hat. Insofern gebietet es die ohnehin geforderte Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Positionen der Spielhallenbetreiber auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, dass die zuständigen Behörden sich eines Verteilmechanismus bedienen, der die bestmögliche Ausschöpfung der bei Beachtung der Mindestabstände verbleibenden Standortkapazität in dem relevanten Gebiet ermöglicht. Das gilt auch, sofern bei der erforderlichen Auswahlentscheidung zusätzlich Erlaubnisanträge neu in den Markt eintretender Bewerber einzubeziehen sind, wobei grundrechtsrelevante Vorbelastungen der Betreiber von Bestandsspielhallen zu berücksichtigen bleiben.“

(Rn. 26-28, Hervorhebung diesseits)

Ergeben sich dabei nach vollständiger Ausschöpfung des Sachverhalts anhand der von der Behörde zu Grunde gelegten Kriterien hinreichend gewichtige Unterschiede zwischen den Bewerbern, muss dem danach vorrangigen Spielhallenbetreiber der Vorzug eingeräumt werden. Bestehen solche hinreichend gewichtigen Unterschiede, die vom Spielhallenbetreiber dargelegt werden sollten, im Einzelfall indes nicht, darf nach den obigen Ausführungen mangels ausreichender Sachkriterien auf das Losverfahren zurückgegriffen werden. Dabei darf aber eine Spielhalle nicht berücksichtigt werden, die zu keiner der anderen hier in Rede stehenden Spielhallen den gesetzlichen Mindestabstand einhält und deren Auslosung zur Folge hätte, dass keine optimale Ausschöpfung der Standortkapazität möglich ist (Beschluss vom 24.05.2017, Rn. 20).

Keine gewichtigen Unterschiede bestehen nach Ansicht des VG Oldenburg, wenn und soweit mehrere (Verbund-)Spielhallen eines einzigen Unternehmers betroffen sind. In einem solchen Fall könne eine Differenzierung durch die Erlaubnisbehörde kaum vorgenommen werden, sondern obliege es allein dem Betreiber dieser Spielhallen, – etwa im Rahmen von Haupt- und Hilfsanträgen – selbst die Auswahlentscheidung zu treffen und anzugeben, welche der Spielhallen vorrangig weiterbetrieben werden soll. Entsprechendes gelte, wenn mehrere in räumlicher Nähe stehende Spielhallen verschiedenen Organgesellschaften ein und desselben Organträgers (sog. Tochtergesellschaften) zuzuordnen sind. Auch in dieser Konstellation stellen die Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit dar und bestünde keine echte Konkurrenz, so dass die Auswahlentscheidung in aller Regel (nur) von diesen Unternehmen selbst getroffen werden könne.

Ein Härtefall im Sinne des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV könne nur in atypischen Konstellationen angenommen werden, insbesondere wenn sich schutzwürdig vor dem 28.10.2011 getätigte Investitionen im Einzelfall noch nicht amortisiert haben. Auch dies ist vom Bewerber um eine Erlaubnis darzulegen.