BPatG: Klageveranlassung (§ 93 ZPO) durch Verletzungsklage

Eine Kostentragung des Klägers kommt nach § 93 ZPO im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem BPatG nur dann in Betracht, wenn der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage keinen Anlass gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Das BPatG hat in seinem Urteil „Interdentalreiniger“ dazu Stellung bezogen, ob eine zuvor erhobene Verletzungsklage Veranlassung zur Klageerhebung gibt (Urteil vom 27.06.2017, Az. 4 Ni 31/15 (EP) - Interdentalreiniger).

Eine Veranlassung zur Klageerhebung ergebe sich nach § 93 ZPO grundsätzlich dann, wenn das Verhalten des Beklagten vor Prozessbeginn gegenüber dem Kläger so gestaltet war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen. Im Patentnichtigkeitsverfahren sei dies grundsätzlich dann der Fall, wenn der Kläger den Beklagten unter substantiierter Angabe der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe und mit angemessener Fristsetzung erfolglos zum Verzicht auf das Schutzrecht aufgefordert hat.

Die Aufforderung zum Verzicht sei jedoch dann entbehrlich, wenn sie unzumutbar oder aussichtslos sei, oder wenn das Verhalten des Beklagten vernünftigerweise den Schluss rechtfertige, eine Nichtigkeitsklage sei notwendig.

Dies sei jedenfalls dann grundsätzlich zu bejahen, wenn von dem Nichtigkeitsbeklagten bereits eine Verletzungsklage aus dem Streitpatent gegen den Kläger erhoben worden ist, da eine Verzichtsaufforderung unter diesen Umständen unzumutbar und sinnlos erscheine und in diesem Fall der Patentinhaber mit einem sofortigen Gegenangriff einer Nichtigkeitsklage rechnen müsse.

Unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung vertritt das BPatG in seinem Urteil die Auffassung, dass eine Verzichtsaufforderung des Nichtigkeitsklägers entbehrlich ist, wenn von dem Nichtigkeitsbeklagten bereits eine Verletzungsklage aus dem Streitpatent gegen den Nichtigkeitskläger erhoben worden ist. Allerdings – darauf weist das BPatG ausdrücklich hin -müsse berücksichtigt werden, ob der Angriff auf das Streitpatent auch hinsichtlich seines Umfangs durch ein paralleles Verletzungsverfahren veranlasst sei.

Amtliche Leitsätze:

  1. Hat die im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht beklagte Patentinhaberin vor Erhebung der Nichtigkeitsklage bereits eine auf das Streitpatent gestützte Verletzungsklage erhoben, so besteht in der Regel eine Veranlassung zur Klageerhebung auch dann, wenn die Patentinhaberin nicht zuvor zum Verzicht auf das Streitpatent aufgefordert worden ist (Aufgabe von BPatG GRUR-RR 2009, 325 – Kostenauferlegung bei Verzicht aus Streitpatent).
  2. Im Rahmen der nach gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 PatG auch unter Billigkeitserwägungen zu treffenden Kostenentscheidung findet deshalb § 93 ZPO jedenfalls insoweit keine Anwendung als die Nichtigkeitsklage auf die Validität des im Verletzungsverfahren maßgeblichen Patentgegenstandes abzielt und noch Ausdruck der sich aus § 148 ZPO ergebenden Verknüpfung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren ist.

BPatG, Urteil v. 27.06.2017, Az. 4 Ni 31/15 (EP) – Interdentalreiniger