Verhandlungen zum Grundstückskaufvertrag – alles kann, nichts muss?

Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen über einen Grundstückskaufvertrag setzt voraus, dass derjenige, der von den Verhandlungen Abstand nimmt, in zurechenbarer Weise Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrags erweckt hat. Erforderlich ist insoweit ein qualifizierter Vertrauenstatbestand, der gegeben ist, wenn der Abbrechende den Vertragsschluss als sicher hingestellt oder den anderen Teil zu Vorleistungen veranlasst hat (LG Köln, Urteil vom 11. April 2019, Az. 2 O 202/18).

Der Fall

Die Klägerin ist Eigentümerin eines bebauten Grundstücks. Die Gebäude sollen abgerissen werden. Anfang des Jahres 2015 wendet sich die Gemeinde an die Grundstückseigentümerin und teilt mit, dass sie aufgrund des anhaltenden Flüchtlingszustroms dringend nutzbaren einfachen Wohnraum benötige. Es werde daher der Erwerb der zum Abriss vorgesehenen Gebäude erwogen. In der Folge verhandeln die Parteien über den Abschluss eines Kaufvertrags. Im Vertrauen auf einen erfolgreichen Abschluss kündigt die Grundstückseigentümerin den zuvor schon erteilten Auftrag zum Abbruch der Häuser, um diese für den Verkauf zu erhalten. Die Parteien verhandeln weiter auch über eine etwaige Übernahme der Kosten, die der Grundstückseigentümerin wegen des Stillstandes und der Kündigung der Abbrucharbeiten entstanden sind. Eine Übernahme dieser Kosten wird vom Bauausschuss der Gemeinde letztlich jedoch abgelehnt. Trotz weiterer Verhandlungen im Jahr 2016 kommt der Kaufvertrag im Ergebnis nicht zustande. Die Grundstückseigentümerin lässt die Bebauung endgültig abreißen und verlangt nun von der Gemeinde Ersatz des ihr durch die Kündigung des Abbruchvertrags und die Verzögerung des Abrisses entstandenen Schadens, maßgeblich unter dem Gesichtspunkt des Abbruchs von Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund. Die beklagte Stadt habe das Interesse am Kauf nur deswegen verloren, weil der Flüchtlingsstrom zwischenzeitlich abgenommen habe.

Die Entscheidung des LG Köln

Das LG Köln verneint einen Schadensersatzanspruch der Grundstückseigentümerin wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen. Ein solcher setzt voraus, dass der, der von den Vertragsverhandlungen Abstand nimmt, einen sog. qualifizierten Vertrauenstatbestand gesetzt hat. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der Vertragsschluss als sicher hingestellt wird oder wenn der Abbrechende den anderen Teil zu Vorleistungen veranlasst hat. Bei – wie hier – formbedürftigen Verträgen muss zur Vermeidung eines auch nur mittelbaren Zwangs zum Vertragsschluss zusätzlich ein schwerer Verstoß gegen die Pflicht zum redlichen Verhalten vorliegen; erforderlich ist hierfür in der Regel ein vorsätzlicher Verstoß (BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 11/17). Weiterhin setzt ein Schadensersatzanspruch voraus, dass die Verhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen werden, also grundlos und aus sachfremden Erwägungen. Für das LG Köln war nicht ersichtlich, dass die Gemeinde einen qualifizierten Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Allein ein „starkes Interesse am Ankauf“ genüge dafür jedenfalls nicht. Im Übrigen habe die Gemeinde nach dem Vortrag der Grundstückseigentümerin die Vertragsverhandlungen nicht grundlos abgebrochen Vielmehr habe sie infolge des Rückgangs der Flüchtlingszahlen nach 2015 das Interesse an dem Objekt verloren. Das wäre, so das LG Köln, ein sachlicher und damit auch triftiger Grund.

Praxishinweis

Das Urteil entspricht der BGH-Rechtsprechung. Ein Schadensersatzanspruch wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen kommt bei einem formbedürftigen Grundstückskaufvertrag erst dann in Betracht, wenn eine besonders schwerwiegende und in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt (BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 11/17). Andernfalls würden im Zweifel jede Grundstückskaufvertragsverhandlung und damit verbundene Dispositionen dazu führen, dass ein indirekter Zwang zum Vertragsabschluss entstehen würde. Dies aber liefe dem Zweck des Formerfordernisses zuwider, eine Bindung ohne Einhaltung der Form (notarielle Beurkundung) zu verhindern. Vermögensdispositionen, die in Erwartung eines Vertragsabschlusses getätigt werden, erfolgen damit grundsätzlich auf eigenes Risiko.