OLG Karlsruhe zum Gebot umfassender Abwägung im Rahmen des § 635 Abs. 3 BGB

Das OLG Karlsruhe hat in seinem Beschluss vom 09.01.2018, Az. 9 U 52/17, klargestellt, dass bei der Frage der Zumutbarkeit von Mangelbeseitigungskosten im Rahmen des § 635 Abs. 3 BGB nicht allein das Verhältnis zwischen den Mangelbeseitigungskosten einerseits und dem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil des Auftraggebers andererseits entscheidend ist. Selbst bei einem nur sehr geringen wirtschaftlichen Vorteil können andere Gründe für die Zumutbarkeit eines konkreten Nacherfüllungsverlangens sprechen. Zu diesen Gründen zählen insbesondere auch die mittelbaren wirtschaftlichen Folgen einer Nacherfüllung.

Hintergrund des Beschlusses war die Klage einer Hauseigentümerin gegen die Verkäuferin und Erbauerin dieser Immobilie. Zwischen den Parteien war bei Abschluss des Kaufvertrags vereinbart worden, dass sämtliche Kunststofffenster des Hauses mit einer dreifachen Wärmeschutzverglasung isoliert sein sollten. Die Beklagte ließ jedoch Fenster erstellen, die lediglich über eine zweifache Wärmeschutzverglasung verfügten. Dem Nacherfüllungsverlangen der Klägerin hielt die Beklagte entgegen, dass eine Nacherfüllung unzumutbar im Sinne des § 635 Abs. 3 BGB sei, da die Klägerin durch den Einbau der geforderten dreifachen Wärmeschutzverglasung nur einen unwesentlichen wirtschaftlichen Vorteil erlange und dieser Vorteil in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Kosten der Nacherfüllung stünde. Konkret beliefen sich die eingesparten Heizkosten der Klägerin auf 8,10 € pro Jahr, wohingegen die Kosten der Nacherfüllung auf 4.500,00 € beziffert wurden.

Das OLG Karlsruhe gab der Klägerin jedoch Recht und machte in seinem Beschluss deutlich, dass die Frage der Zumutbarkeit von Nacherfüllungskosten stets anhand einer umfassenden Abwägung im Einzelfall zu beurteilen ist. Bei dieser Abwägung sei vor allem maßgebend, ob der Auftraggeber ein nachvollziehbares Interesse an einer vertragsgemäßen Ausführung des Werks habe. Vorliegend stellte das Gericht darauf ab, dass bestimmte technische Merkmale auf dem Markt allgemein als mitbestimmender Faktor für den Wert einer Wohnung angesehen werden. So könne etwa die Einhaltung bestimmter Wärmeschutzstandards bei potentiellen Erwerbern einer Immobilie eine wichtige Rolle spielen. Weitere Umstände, die aus Sicht des Gerichts die Zumutbarkeit des Nacherfüllungsverlangens begründeten, waren das Verschulden der Beklagten sowie die Tatsache, dass die geforderte dreifache Wärmeschutzverglasung ausdrücklich in der Baubeschreibung vereinbart worden war.

Der Beschluss des OLG Karlsruhe macht deutlich, dass Bauunternehmer sich bei der Frage des Vorliegens einer Nacherfüllungspflicht nicht ohne Weiteres darauf berufen können, dass der unmittelbare wirtschaftliche Vorteil des Auftraggebers gering ausfällt. Sobald vereinbarte Eigenschaften eine gewisse Marktrelevanz aufweisen, kommen die mittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen einer mangelhaften Leistungserbringung ins Spiel und schließen die Geltendmachung einer Unzumutbarkeit im Sinne des § 635 Abs. 3 BGB aus.

Rechtsanwalt Amaury Korte
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