OLG Brandenburg, Urteil vom 25.06.2020, Az. 12 U 59/19 – Verzugsmitteilung ist „andere Anordnung“ im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B

Eine aktuelle Entscheidung des OLG Brandenburg bestätigt die Rechtsprechung anderer oberster Landesgerichte, wonach eine Verzugsmitteilung eine Leistungsänderung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B darstellen kann.

Sachverhalt

Auf der Grundlage einer Ausschreibung nach VOB/A erhielt die Klägerin den Auftrag für die Erneuerung der Straßendecke einer Bundesstraße. Bei der Angebotsabgabe legte die Klägerin ihre Kalkulation offen, die einen Betrag von 8 Euro/t für den Verkauf des Fräsgutes an eine Drittfirma auswies. Der Bauvertrag sah vor, dass die Arbeiten 12 Tage nach Erteilung des Zuschlags beginnen und binnen 36 Werktagen abgeschlossen sein sollten.

Nach Vertragsschluss teilte die Beklagte mit, dass die verkehrsrechtliche Anordnung für die Arbeiten im Jahr 2015 nicht erteilt werde und der Baubeginn deshalb in das Jahr 2016 verschoben werden müsse. Die Klägerin zeigte daraufhin eine Baubehinderung an und übermittelte der Beklagten ein Nachtragsangebot für die infolge der Bauverzögerung entstehenden Mehrkosten. Zu einer Beauftragung kam es insoweit jedoch nicht.

Die Klägerin behauptete später, infolge der Bauzeitverschiebung habe sie den Vertrag über die Fräsgutverwertung nicht erfüllen und für das Jahr 2016 einen solchen nicht abschließen können. Wie im Nachtragsangebot ausgewiesen, hätten sich deshalb die ursprünglich kalkulierten Preise für die zu bearbeitende Fläche erhöht, was die Beklagte nicht akzeptieren wollte.

Entscheidung des OLG Brandenburg

Das OLG Brandenburg gab der Klägerin im Ergebnis Recht. Die Mitteilung der Bauzeitverschiebung stelle eine Anordnung zur Leistungsänderung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B dar. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass inhaltliche und zeitliche Anordnungen im Baugeschehen häufig nicht klar zu unterscheiden seien. So könne beispielsweise die Änderung einer vorgesehenen Herstellungsweise den am Ende geschuldeten Werkerfolg unberührt lassen und sich im Wesentlichen auf die Wirkung beschränken, dass der Unternehmer arbeitsintensiver vorgehen, also mehr Zeit aufwenden müsse. Auch der Wortlaut von § 2 Abs. 5 VOB/B lasse Raum, Störungsmitteilungen als Leistungsänderung zu verstehen, da er neben der „Änderung des Bauentwurfs“ explizit „andere Anordnungen“ des Auftraggebers erwähne, so dass auch über das inhaltliche Bausoll hinausgehende Modifikationen ohne weiteres erfasst seien. Aus diesem Grund sei in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Verzugsmitteilung eines Bestellers an den Unternehmer eine Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B sein könne. Hierzu: OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.06.1995, Az. 21 U 219/94; OLG Hamm, Urteil vom 12.04.2011; Az. 24 U 29/09; vgl. auch BGH, Urteil vom 26.04.2018, Az. VII ZR 81/17; zum Streitstand Kniffka in Kniffka/Koeble u. a., Kompendium des Baurechts,
5. Aufl., Rn. 166 ff.).

Zu klären blieb somit lediglich noch die Frage, wie der Umstand behandelt werden sollte, dass zwischen den Parteien kein Nachtrag vereinbart worden war. Hierzu urteilte das Gericht: „Die Vergütung für die geänderte Leistung kann jedoch auf Grundlage des geschlossenen Vertrages fortgeschrieben werden […]. Da eine ausdrückliche oder konkludente Annahme des Nachtragsangebotes Nr. 2 nicht erfolgt ist, ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner für den von ihnen nicht geregelten Fall vereinbart hätten. Dabei sind die schutzwürdigen Interessen beider Parteien zu berücksichtigen. Die Grundsätze des vereinbarten § 6 Abs. 3 und 4 VOB/B sind sinngemäß anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2018 – VII ZR 81/17; Kniffka, a. a. O., Rn. 186).“

Im Ergebnis wurden die in dem Nachtragsangebot der Klägerin genannten Mehrkosten vom Gericht anerkannt und die Beklagte insofern antragsgemäß zur Zahlung verurteilt.