Eintritt in Mietvertrag bei Erwerb eines bloß mitgenutzten Grundstücks?

Ist dem Mieter gestattet, ein im Eigentum des Vermieters stehendes weiteres Grundstück zu benutzen, das nicht Gegenstand des Mietvertrags ist, tritt bei einer späteren Veräußerung dieses Grundstücks der Erwerber nicht gemäß § 566 Abs. 1 BGB in den Mietvertrag ein. Dies entschied der BGH mit Urteil vom 04.09.2019 (XII ZR 52/18), dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Der Fall

Der Mieter mietete im Rahmen eines bis zum 31.03.2017 befristeten Mietvertrages Gewerberäume in einem Gebäudekomplex, der sich über drei benachbarte Grundstücke (vereinfacht als Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 bezeichnet) erstreckte. Die gemietete Fläche befand sich ausschließlich auf den Grundstücken Nrn. 1 und 2. Das Grundstück Nr. 3 durfte der Mieter zusätzlich zu Anlieferungszwecken nutzen, ohne dass diese Fläche Gegenstand mietvertraglicher Vereinbarungen war. Im Zuge eines Insolvenzverfahrens über das Vermietervermögen wurden die Grundstücke am 31.10.2014 an zwei Erwerber (A und B) veräußert. A erwarb die gemieteten Grundstücke Nrn. 1 und 2, B kaufte das mitgenutzte Grundstück Nr. 3. Im März 2015 kündigte A den Mietvertrag zum 30.09.2015 unter Berufung auf das Sonderkündigungsrecht nach § 111 der Insolvenzordnung (nach § 111 Satz 1 InsO kann derjenige, der vermietetes Grundeigentum vom Insolvenzverwalter erwirbt und anstelle des Vermieters in das Mietverhältnis eintritt, dieses unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist kündigen). Der Mieter widersprach der Kündigung, weil B (neuer Eigentümer des Grundstücks Nr. 3) die Kündigung nicht mit erklärt habe. Wegen der mitgenutzten Flächen auf Grundstück Nr. 3 sei aber auch B in den Mietvertrag gemäß § 566 BGB eingetreten, so dass A und B gemeinsam hätten kündigen müssen. Dies holten A und B vorsorglich am 29.05.2015 nach, woraufhin der Mieter das Mietobjekt räumte. Mit seiner Klage begehrte der Mieter u. a. die Feststellung, dass das Mietverhältnis bis zum Ablauf des 31.03.2017 fortbestand, da dieses erst durch (den mietvertraglich vereinbarten) Zeitablauf beendet worden sei. Die von A auf § 111 InsO gestützte erste Kündigung sei unwirksam, weil A und B das Mietverhältnis nur hätten gemeinsam kündigen können. Auch durch die später von A und B gemeinsam erklärte Kündigung sei der Mietvertrag nicht beendet worden, weil diese Kündigung nicht mehr innerhalb der Frist des § 111 Satz 2 InsO erfolgt sei.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der BGH wies den Feststellungsantrag des Mieters ab, da der Mietvertrag bereits durch die Kündigung des A zum 30.09.2015 beendet wurde. Nachdem A als neuer Eigentümer der Grundstücke 1 und 2 in das Grundbuch eingetragen worden war und er damit gemäß § 566 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetreten ist, war er gemäß § 111 Satz 1 InsO berechtigt, den Mietvertrag zu kündigen. Die von A erklärte Kündigung erfolgte auch zum ersten möglichen Termin (§ 111 Satz 2 InsO) und unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gemäß § 111 Satz 1 InsO (in Verbindung mit § 580 a Abs. 2 BGB für Gewerberäume).

A war auch alleine zur Kündigung des Mietvertrags berechtigt, weil B durch den Erwerb des Grundstücks Nr. 3 nicht als weiterer Vermieter in den Mietvertrag eingetreten ist: Nach seinem klaren Wortlaut knüpft § 566 BGB, der gemäß § 578 Abs. 2 BGB auf gewerblich genutzte Mieträume entsprechend anwendbar ist, an die Veräußerung des Mietgegenstands an. Voraussetzung ist damit, dass es zu einem Wechsel des Eigentums an den Mieträumen kommt. § 566 BGB will den Mieter davor schützen, aufgrund einer Änderung der dinglichen Berechtigung an dem Mietgegenstand sein aus dem Mietvertrag gegenüber dem ursprünglichen Vermieter abgeleitetes Besitzrecht zu verlieren. Um diesen Zweck zu erreichen, sieht die Vorschrift als Rechtsfolge des Eigentumsübergangs vor, dass zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter ein neues Mietverhältnis entsteht, und zwar mit dem gleichen Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden hat.

Mietgegenstand waren in diesem Fall aber lediglich die auf den Grundstücken Nrn. 1 und 2 gelegenen Räumlichkeiten und nicht die auf dem Grundstück Nr. 3 gelegene Fläche, die vom Mieter zur Anlieferung mitbenutzt werden durfte. Allein die Möglichkeit des Mieters, eine Grundstücksfläche im Rahmen des vertragsgemäßen Mietgebrauchs mitbenutzen zu dürfen, genügt für die Anwendung des § 566 BGB nicht. Neben der Veräußerung der Mietsache setzt die Vorschrift nämlich voraus, dass diese dem Mieter zum Zeitpunkt der Veräußerung bereits zum Gebrauch überlassen war. Eine Gebrauchsüberlassung wiederum ist mehr als die Gestattung oder Duldung eines (Mit-)Gebrauchs oder die bloße Einräumung der Möglichkeit zum (Mit-)Gebrauch. Sie erfordert die vom Vermieter vorzunehmende Verschaffung des ungestörten (!) (Mit-)Besitzes an den Mieter, damit dieser die Mietsache – insbesondere auch unter Ausschluss des Vermieters – nutzen kann.

Praxishinweis

Die Entscheidung knüpft an die Rechtsprechung des BGH zum sogenannten Publizitätserfordernis des Besitzrechts des Mieters für den Eintritt des Erwerbers in den Mietvertrag gemäß § 566 BGB an. Der Erwerber tritt deshalb nicht in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn der Nutzer bereits gar kein (Mit-)Benutzungsrecht an dem erworbenen Grundstück hat, weil ihm die Nutzung nur gestattet und die Fläche gerade nicht mitvermietet war. Tritt der Erwerber im Falle der Vermieterinsolvenz gemäß § 566 BGB aber in den Mietvertrag ein, gibt ihm § 111 InsO ein Sonderkündigungsrecht, das innerhalb der jeweiligen gesetzlichen Frist zum erstmöglichen Kündigungszeitpunkt ausgeübt werden muss. Den Schutz des Wohnraummieters lässt das Sonderkündigungsrecht des Erwerbers aufgrund der Kündigungsschutzvorschriften der §§ 573 ff. BGB nahezu unberührt. Dem Gewerberaummieter hingegen ist zu empfehlen, die Nutzung des Mietobjekts stets durch eine im Grundbuch einzutragende beschränkt persönliche Dienstbarkeit („Mieterdienstbarkeit“) dinglich abzusichern.