Befangenheitsanträge gegen Sachverständige unterfallen der richterlichen Frist gem. §§ 406 Abs. 2 Satz 2, 411 Abs. 4, 224 Abs. 2 ZPO. Ansonsten sind sie unverzüglich zu stellen!

Eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme gem. § 224 Abs. 2 ZPO erfordert, dass die erheblichen Gründe in der Antragsschrift glaubhaft gemacht werden. Die Glaubhaftmachung hat dabei schriftlich zu erfolgen – dies folgt aus dem neueren Beschluss des OLG Frankfurt vom 03.05.2023 – Az. 17 W 41/22.

Sachverhalt

In dem vorliegenden Klageverfahren streiten die Parteien um Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit einer kardiologischen Behandlung. Die Beklagte hat Widerklage wegen unzureichender Aufklärung und Nachbehandlung gerichtet auf immateriellen Schadensersatz erhoben. Die zuständige Einzelrichterin am LG Frankfurt a. M. hat sodann am 11. August 2021 einen Beweisbeschluss gefasst, an dessen Ende das Gutachten des Sachverständigen A vom 02. Mai 2022 stand, der den Parteien am 11. Mai 2022 zugestellt wurde. Die Einzelrichterin gab den Parteien auf, binnen drei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten stellte sodann am 30. Mai 2022 einen Antrag auf Fristverlängerung bis zum 13. Juli 2022, da die Beklagte sich seit dem 18. Mai 2022 in stationärer Behandlung befinde und arbeitsunfähig sei. Danach stellte der Prozessbevollmächtigte am 13. Juli 2022 einen Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit hinsichtlich des Sachverständigen A. Das Landgericht hat die Fristverlängerung mit Beschluss zurückgewiesen und den Befangenheitsantrag für unzulässig erklärt (LG Frankfurt/Main, 05.08.2022 – 2-14 O 61/19). Mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde wendet sich des Prozessbevollmächtigte gegen die Unzulässigkeit des Befangenheitsantrags.

Entscheidungsgründe

Das OLG Frankfurt (Beschl. v. 03.05.2023 – 17 W 41/22) hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Dazu führt das Gericht aus, dass der Befangenheitsantrag unzulässig gewesen sei. Gründe für die Zulässigkeit im Ausnahmefall, namentlich, dass der Antragsteller ohne Verschulden gehindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen, seien nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht worden, §§ 406 Abs. 2 Satz 2, 296 Abs. 1, 4 ZPO.

Zunächst differenziert das Gericht nach dem Ablehnungsgrund, wonach für die Ernennung des Sachverständigen an sich § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO gelte und für die Ablehnung, deren Grund sich aus dem Inhalt des Gutachtens ergebe, §§ 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Der Ablehnungsgrund sei jedoch grundsätzlich unverzüglich geltend zu machen, zuzüglich einer Prüfungs- und Überlegungsfrist. Hinsichtlich der letzten Alternative – so wie hier der Fall liege – der Befangenheitsantrag also eine inhaltliche Komponente aufweist, gleichlaufend mit der richterlichen Frist gem. § 411 Abs. 4 ZPO. Das führe dazu, dass der Antragsteller glaubhaft zu machen habe, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen, § 224 Abs. 2 Alt. 1 HS 2 ZPO. Dem Landgericht zufolge hat die Beklagte solche erheblichen Gründe nicht glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für die Erheblichkeit des Verhinderungsgrundes gewinnt das Gericht systematisch aus der Rechtsprechung zu § 227 Abs. 2 ZPO. Danach sei die Darlegungslast des Antragstellers so zu verstehen, dass die Gründe für die Verhinderung von diesem detailliert vorgetragen und untermauert werden müssen, so dass die Prüfung der Erheblichkeit für das Gericht möglich ist. Dies müsse im Gegensatz zu § 227 Abs. 2 ZPO auch stets und ohne Verlangen des Gerichts erfolgen. In dem vorliegenden Fall sei dies nicht der Fall. Der Antragssteller habe lediglich eine inhaltsleere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, nach der nicht ausgeschlossen sei, dass die Beklagte über die gesamten Fristzeitraum hätte Kontakt mit dem Prozessbevollmächtigten aufnehmen können. Zudem sei die stationäre Aufnahme in das Krankenhaus sieben Tage nach Zustellung des Sachverständigengutachtens erfolgt, weswegen zumindest dieser Zeitraum zur Verfügung gestanden hätte. Nach der Verordnung des Hausarztes, der eine schwere Depression attestiert hatte, sei auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Beklagte nicht ansprechbar sei.

Soweit sich der Prozessbevollmächtigte nunmehr auf das Zeugnis eines Arztes aus der behandelnden Klinik berufe, sei dieses Beweismittel zur Glaubhaftmachung untunlich. Diesbezüglich habe der BGH in Bezug auf die Feststellung des Beschwerdewertes gem. § 544 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass zwar gem. § 294 Abs. 1 ZPO zur Glaubhaftmachung grundsätzliche alle strenge Beweismittel zulässig sind (BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – I ZR 25/22). Die zugelassenen Beweismittel müssten aber hierfür geeignet sein. Für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, in dem ohne mündliche Verhandlung entschieden werden könne und regelmäßig entschieden wird, seien Angebote von Zeugen- und Sachverständigenbeweis nicht zur Glaubhaftmachung geeignet. Entsprechend 294 Abs. 2 ZPO sei zu fordern, dass bereits ein schriftliches Gutachten vorliegt und das Gericht entsprechend dem Wortlaut („sofort“) zügig entscheiden kann, ohne eine mündliche Verhandlung anberaumen zu müssen. Dies sei hier jedoch nicht gegeben. Selbiges gelte auf für den Fristverlängerungsantrag nach § 224 Abs. 2, 411 Abs. 4 ZPO.

Praxishinweis

Das OLG Frankfurt hat mit dem Beschluss die hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Verhinderungsgründen hervorgehoben und darüber hinaus deutlich gemacht, dass auch bei einem Befangenheitsantrag die Maßstäbe der §§ 406 Abs. 2 S. 2, 411 Abs. 4, 224 Abs. 2 ZPO anzusetzen sind.