Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist einer außerordentlichen Kündigung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Entscheidung vom 11. Juni 2020 – 2 AZR 442/19 – klargestellt, dass der Arbeitgeber bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit der Anhörung des Arbeitnehmers (in der Regel eine Woche) im Falle einer bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit abwarten dürfe und durch die entstehende Verzögerung auch nicht die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt wird.

Der Fall

In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis eines bei ihr seit dem Jahr 2000 als Hausmeister beschäftigten Arbeitnehmers außerordentlich fristlos gekündigt. Bei der jährlichen Kontrolle der Telefonrechnungen stellte die Arbeitgeberin fest, dass über einen Zeitraum von etwa sechs Wochen insgesamt über 2 700 Mal kostenpflichtig eine Glücksspiel-Hotline angerufen wurde. Diese Anrufe wurden über die Anschlüsse des betroffenen Arbeitnehmers und eines Kollegen getätigt. Da der betroffene Arbeitnehmer zwei Wochen lang krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, wurden er und sein Kollege erst nach Ablauf von zwei Wochen nach Kenntnis der vorgenannten Umstände zu dem Vorfall befragt. Der betroffene Arbeitnehmer bestritt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung stellte sich heraus, dass die Anrufe nur während der Arbeitszeiten des Arbeitnehmers erfolgten. Daraufhin erklärte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer die außerordentliche fristlose Kündigung. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage machte der Arbeitnehmer geltend, die Kündigung sei u. a. aufgrund der nicht eingehaltenen Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen unwirksam.

Die Entscheidung

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Sie nahmen an, die Kündigungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB sei von der Arbeitgeberin nicht eingehalten worden. Als Argumente führten die Vorinstanzen an, dass auch während der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers die Arbeitgeberin den Versuch zu unternehmen habe, von dem Arbeitnehmer eine schriftliche Stellungnahme zu erhalten oder ihn sogar persönlich anzuhören.

Das BAG sah das anders und entschied, dass die außerordentliche Kündigung rechtzeitig erklärt worden sei. Grundsätzlich müsse die Aufklärung des zur Kündigung veranlassenden Sachverhaltes mit der gebotenen Eile durchgeführt werden. Dazu gehöre auch die Anhörung des Arbeitnehmers innerhalb einer Woche. Liegen aber, wie im vorliegenden Fall, besondere Umstände vor, die ein Abwarten erforderlich machen, kann eine Anhörung auch noch später erfolgen, ohne dass die Kündigungsfrist verwirkt ist. Eine Kontaktaufnahme des Arbeitnehmers durch die Arbeitgeberin sei im Hinblick auf die Erkrankung und den Genesungsprozess nur begrenzt zulässig. Vorliegend war eine gleichzeitige persönliche Anhörung der Arbeitnehmer geboten, um eine mögliche Absprache zwischen den „verdächtigen“ Arbeitnehmern zu vermeiden.

Fazit und Praxishinweis

Die Kündigungserklärungsfrist bei Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung beträgt gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zwei Wochen nach Kenntniserlangung des Arbeitgebers von den der Kündigung zugrundeliegenden Gründen. Sind Sachverhaltsermittlungen und die Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers erforderlich, hat der Arbeitgeber diese mit der gebotenen Eile durchzuführen. Die Pflicht des Arbeitgebers, die Ermittlungen des Sachverhaltes in gebotener Eile durchzuführen, kollidiert mit der aus § 241 Abs. 2 folgenden Pflicht, das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers zu beachten und ihn vor Gesundheitsgefährdungen zu bewahren.

Der Arbeitgeber kann nach der Entscheidung des BAG im Fall einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit mit der Anhörung des Arbeitnehmers im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung warten. Nach den Hinweisen des BAG sollte aber innerhalb von drei Wochen zumindest versucht werden, mit dem Arbeitnehmer Kontakt aufzunehmen, um die Möglichkeit einer Stellungnahme zu eruieren. Im Rahmen dessen sollte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes eine Erklärungsfrist setzen.