Betriebsrat und die Corona-Krise: Virtuelle Versammlungen und Beschlüsse werden wirksam sein

Die Pandemie greift weiterhin mit voller Kraft in den Arbeitsalltag der Unternehmen ein. Unter hohem Zeitdruck haben viele Arbeitgeber mit ihren Betriebsräten wichtige Betriebsvereinbarungen geschlossen, etwa zur Einführung von Kurzarbeit, Regelungen zum Homeoffice oder der Arbeitszeit. Doch nicht selten stellte sich dabei die Frage, wie der Betriebsrat Beschlüsse fassen soll, wenn sich die Mitglieder im Homeoffice befanden. Der Gesetzgeber plant, diese Rechtsunsicherheit durch eine Anpassung der Gesetzeslage zu beseitigen. Der Bundesrat wird am 15. Mai 2020 über den Gesetzesentwurf beraten. Dies bedeutet, dass schon zeitnah mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zu rechnen ist.

Bisherige Gesetzeslage

Bislang bestand große Unsicherheit darüber, ob das Betriebsverfassungsgesetz Versammlungen und Beschlüsse zum Beispiel via Telefon- oder Videokonferenz als zulässig erachtet oder nicht. Ungeklärt war bislang vor allem die Frage, ob das Anwesenheitserfordernis der Mitglieder zur Beschlussfassung in § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor allem die physische Anwesenheit erfordert. Daneben sind die Stimmen hinsichtlich der Unzulässigkeit einer Betriebsratssitzung via Telefonkonferenz oder via E-Mail deutlich lauter: Weder die Identität der Mitglieder sei zweifelsfrei überprüfbar noch finde ein kommunikativer Austausch zwischen den Mitgliedern statt.

Zukünftige Gesetzeslage

Die bestehende Rechtsunsicherheit und der dringende Handlungsbedarf in der aktuellen Situation sind von der Politik erkannt worden. Am 9. April 2020 gab die Bundesregierung Maßnahmen zur Sicherstellung der betrieblichen Mitbestimmung bekannt. Personalvertretungen sollen nun die Möglichkeit erhalten, Beschlüsse vorerst auch via Video- und Telefonkonferenz zu fassen. Diese Regelung soll für Betriebsräte bis zum 31. Dezember 2020, für Personalräte bis zum 31. März 2021 gelten. Damit bereits über diese Kommunikationsform gefasste Beschlüsse rechtswirksam bleiben, sollen die Regelungen rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten.

Bei virtuellen Betriebsratssitzungen wird vor allem von großer Wichtigkeit sein, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen und der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt wird. Ferner darf es keine Aufzeichnungen der virtuellen Sitzungen geben.

Nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung soll konkret folgende Norm in das BetrVG aufgenommen werden:

§ 129 Sonderregelungen aus Anlass der Covid-19-Pandemie

(1) Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung können mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. § 34 Absatz 1 Satz 3 gilt mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen.

(2) Für die Einigungsstelle und den Wirtschaftsausschuss gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend.

(3) Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 können mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.

(4) Die Sonderregelungen nach den Absätzen 1 bis 3 treten mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.

Praxishinweis

Die Folgen eines unwirksamen Betriebsratsbeschlusses konnten gerade mit Blick auf die Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit und Arbeitszeit enorme Konsequenzen haben. So waren Klagen der Arbeitnehmer auf Zahlung des vollen Gehalts zu befürchten, teilweise wurde sogar die Zurückweisung der Erstattung des Kurzarbeitslohns seitens der Agentur für Arbeit ins Spiel gebracht. Vor diesem Hintergrund schafft die dringend erforderliche Regelung Rechtssicherheit für die Arbeitgeber.

Rechtsanwalt Alexander Kiefer
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