Wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit von Werbegaben durch Apotheken

Der BGH hat in seinen Urteilen vom 06.06.2019 (Az. I ZR 206/17 und I ZR 60/18) entschieden, dass die Gewährung geringwertiger Werbegaben wie ein Brötchen-Gutschein oder ein Ein-Euro-Gutschein durch Apotheken an Kunden im Rahmen des Erwerbs verschreibungspflichtiger Arzneimittel wettbewerbsrechtlich unzulässig ist.

Sachverhalt

Die jeweiligen Beklagten der beiden Verfahren betreiben eine Apotheke. Während die Apothekerin aus Darmstadt ihren Kunden im September 2014 bei dem Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Brötchen-Gutschein über „2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti“ für eine nahegelegene Bäckerei übergab, gewährte der Apotheker in Berlin im Jahr 2014 einen Ein-Euro-Gutschein, den die Kunden bei einem weiteren Einkauf in der Berliner Apotheke des Beklagten einlösen konnten.

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie machte gegenüber der Apothekerin in Darmstadt einen Anspruch auf Unterlassung der Verknüpfung des Verkaufs rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel mit der kostenfreien Abgabe eines Brötchen-Gutscheins geltend.

Den Berliner Apotheker nahm sie auf Unterlassung in Anspruch, Kunden, die ein Rezept für ein rezeptpflichtiges, preisgebundenes Arzneimittel einlösen, einen Einkaufsgutschein über einen Euro zu gewähren.

Während sowohl das LG Darmstadt als auch das LG Berlin der jeweiligen Klage stattgegeben hatten, blieb lediglich die Berufung der Darmstädter Apothekerin vor dem OLG Frankfurt a.M. ohne Erfolg. Das KG Berlin wiederum hat die Klage auf die Berufung des Berliner Apothekers hin abgewiesen.

Das OLG Frankfurt a.M. war der Auffassung, dass die Zugabe eines Brötchen-Gutscheins beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel verstoße (§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG), welche als Marktverhaltensregelungen zu qualifizieren seien, so dass ein solcher Verstoß nach § 3a UWG zugleich wettbewerbswidrig sei. An der bisherigen Rechtsprechung, die die Spürbarkeit eines Verstoßes gegen das Arzneimittelpreisrecht verneint habe, da die Zuwendung geringwertiger Kleinigkeiten beim Erwerb von Arzneimitteln nach dem Heilmittelwerbegesetz zulässig seien, könne nicht mehr festgehalten werden. So habe der Gesetzgeber § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG mit Wirkung zum 13. August 2013 um die Regelung ergänzt, dass entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Zuwendungen oder Werbegaben unzulässig seien.

Das die Klage zurückweisende KG Berlin hingegen begründete seine Entscheidung damit, dass die Gewährung eines Ein-Euro-Gutscheins durch den Apotheker bei Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel an Verbraucher zwar gegen die Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel nach § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG verstoße. Jedoch sei der hier in Rede stehende Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften durch Zuwendung einer geringwertigen Kleinigkeit nicht wettbewerbswidrig. Er sei nicht geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern i.S.d. § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, dass nach § 7 Abs. 1 Satz Nr. 1 HWG auch die Zuwendung geringwertiger Kleinigkeiten entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften unzulässig sei.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der beklagten Darmstädter Apothekerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin in dem Verfahren gegen den Berliner Apotheker hatte dagegen Erfolg.

Der BGH stellt fest, dass die Zugabe eines Brötchen-Gutscheins sowie eines Ein-Euro-Gutscheins beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments wettbewerbswidrig ist, da beide Werbegaben gegen die geltenden Preisbindungsvorschriften gemäß §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG verstießen.

So dürften nämlich nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG bei der Bewerbung von Arzneimitteln i.S.d. § 2 AMG Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) nur angeboten, angekündigt oder gewährt werden, wenn eine der in den Nr. 1 bis 5 dieser Vorschrift ausdrücklich geregelten Ausnahmen vorliege.

Der Senat stellt klar, dass es sich bei diesem Verbot der Wertreklame im Heilmittelwerbegesetz um eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG handele. § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG solle verhindern, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst würden. Soweit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 HWG überdies entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Werbegaben generell verbiete, solle hierdurch auch ein ruinöser Preiswettbewerb unter den Apotheken unterbunden werden. Ferner diene die Regelung zur Absicherung der flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.

Der BGH weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das EuGH-Urteil in der Sache Deutsche Parkinson Vereinigung ./. Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. (Urteil vom 19. Oktober 2016 – Rs. C-148/15) hier keine Berücksichtigung finden könne. Der EuGH hatte seinerzeit entschieden, dass die Regelungen über die Preisbindung für Apotheken, die in anderen Staaten der EU ansässig seien, gegen die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV verstoßen würden. Der BGH macht deutlich, dass die Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit jedoch nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte – demnach nicht in den vorliegenden Fällen – anwendbar seien. Die Anwendung der arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften verstoße weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG von Apotheken mit Sitz in Deutschland.

Der jeweils vorliegende Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG sei zudem i.S.d. § 3a UWG geeignet, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Dass die in Rede stehenden Werbegaben solche von geringem Wert seien, führte nicht zu einer anderweitigen Beurteilung. Durch die zum 13. August 2013 vorgenommenen Änderungen des Heilmittelwerbegesetzes habe der Gesetzgeber nämlich zum Ausdruck gebracht, dass jede gesetzlich verbotene Abweichung vom Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel geeignet sei, einen unerwünschten Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszulösen. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 HWG lasse keinen Zweifel daran zu, dass jede Gewährung einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe für Arzneimittel, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstoße, unzulässig sei. Der BGH macht deutlich, dass es dieser gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen würde, wenn ein entsprechender Verstoß dann wiederum als nicht spürbar und somit als nicht wettbewerbswidrig beurteilt werden würde. Ein Abstellen auf die finanzielle Geringwertigkeit der Werbegabe sei im Rahmen dessen ausgeschlossen.

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 076/2019 vom 06.06.2019 zu den Urteilen vom 06.06.2019, Az. I ZR 206/17 und I ZR 60/18