Vertrag über Elektroarbeiten ist Bauvertrag gemäß § 650a BGB

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat sich in einer praxisrelevanten Entscheidung (Beschluss vom 21.03.2022 – Az.: 102 AR 196/21) mit den Anforderungen an eine Einordnung von Elektroarbeiten als Bauvertrag im Sinne von § 650a BGB befasst. Im Rahmen einer wertenden Betrachtung hat es das Vorliegen eines Bauvertrags bejaht.

Sachverhalt

Die Beklagte ließ im Jahr 2013 eine gemeindliche Turnhalle durch verschiedene Unternehmen sanieren. Der Kläger wurde im Zuge dieser Gesamtsanierung mit Elektroarbeiten über den Einbau einer Blitzschutzanlage mit Brandmeldeanlage in einer Turnhalle, das Versetzen von Schaltern, den Austausch der Notlichtanlage sowie der Leuchtmittel und die Installation einer Lautsprecheranlage beauftragt. Als der Kläger zwecks Durchführung der Arbeiten eine Treppe hinabstieg, brach ein Kunststoffbolzen am Verbindungsbeschlag der beiden Treppenteile, der untere Treppenteil schwang seitlich weg und der Kläger stürzte aus einer Höhe von ca. 1,5 m auf den Boden.

Der Kläger macht mit der Klage Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aufgrund der Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Beklagte geltend. Diese sei im Rahmen des Vertragsverhältnisses verpflichtet gewesen, einen sicheren Zugang zur Durchführung der Arbeiten zu gewährleisten. Zudem hafte die Beklagte auch deliktisch gemäß § 823 Abs. 1 BGB, da sie ihre Verkehrssicherungspflicht nicht erfüllt habe.

Das Landgericht Ingolstadt hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die an das Oberlandesgericht München gerichtete Berufung des Klägers. Bei dem Oberlandesgericht München bestanden unterschiedliche Auffassungen darüber, ob es sich um eine Bausache handelt und somit der Bausenat zuständig ist. Es wurde daher der Beschluss gefasst, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Zivilsenats dem BayObLG vorzulegen.

Entscheidung

Das BayObLG stuft den streitgegenständlichen Vertrag als Bauvertrag gemäß § 650a BGB ein und weist die Sache dem Bausenat zu.

Hierbei geht das BayObLG von der Legaldefinition des Bauvertragsrechts aus. Nach § 650a Abs. 1 BGB ist ein Bauvertrag ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Gemäß § 650a Abs. 2 BGB ist ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks dann ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist.

Unproblematisch sei zunächst der gesamte Auftrag über die Grundsanierung über die Turnhalle als Bauvertrag nach § 650a BGB zu qualifizieren. Vorliegend erfüllten aber auch die Arbeiten des Klägers noch die Anforderungen des § 650a BGB. Denn § 650a BGB erfasse nicht nur Verträge, bei denen die vom Unternehmer geschuldete Leistung das Gesamtvorhaben (Herstellung, Wiederherstellung, Beseitigung oder Umbau sowie Instandhaltung eines Bauwerks) betrifft, sondern auch solche Einzelverträge über Teilarbeiten, bei denen eine substanzielle Mitwirkung am Gesamtvorhaben des § 650a Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 BGB zu bejahen ist. Wichtig sei hierbei, dass die Teilarbeiten für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gesamtbauvorhabens von wesentlicher Bedeutung sind. Bei den Arbeiten des Klägers gehe es um objektbezogene Sanierungsmaßnahmen, mit denen eine Anpassung an den aktuellen Stand der Technik erreicht werden soll und die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Turnhalle von wesentlicher Bedeutung sind.

Praxishinweis

Die Qualifizierung eines Werkvertrages als Bauvertrag bedeutet eine maßgebliche Weichenstellung, da nur bei einem Bauvertrag der Auftraggeber einseitig die Ausführung geänderter oder zusätzlicher Leistungen verlangen kann (§§ 650b, 650c BGB), der Auftragnehmer Anspruch ein Einräumung einer Sicherungshypothek (§ 650e BGB) und auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit hat (§ 650f BGB), die Stellung einer prüfbaren Schlussrechnung Fälligkeitsvoraussetzung ist (§ 650g Abs. 4 BGB) und die Kündigung der Schriftform bedarf (§ 650h BGB).