Außerordentliche fristlose Kündigung aufgrund privaten Drogenkonsums

Eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Berufskraftfahrers, der während seiner dienstlichen Fahrten unter Drogeneinfluss stand, kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Drogenkonsum unstreitig im privaten Bereich erfolgte, der Arbeitnehmer weder andere Verkehrsteilnehmer schädigte noch konkret gefährdete und auch keine vorherige Abmahnung ausgesprochen wurde (BAG, Urteil vom 20.10.2016, Az. 6 AZR 471/15).

Der Fall:

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Der Kläger war bei der Beklagten als Lkw-Fahrer beschäftigt. Er konsumierte am Samstag, 11.10.2014, im privaten Bereich Amphetamin und Metamphetamin (Crystal Meth). Am Montag, 13.10.2014, nahm der Kläger wieder seine Arbeit als Lkw-Fahrer auf. Am Nachmittag des 14.10.2014 geriet der Kläger während der Fahrt mit seinem privaten Pkw in eine polizeiliche Verkehrskontrolle. Nachdem der vor Ort durchgeführte Drogenwischtest durch die Polizei positiv ausfiel, bestätigte die im Anschluss durchgeführte Blutuntersuchung den Konsum von Amphetaminen und Metamphetaminen. Das im Anschluss eingeleitete Strafverfahren wurde gemäß § 170 StPO wegen der geringen Menge eingestellt und die Tat als Ordnungswidrigkeit weiterverfolgt.

Nachdem die Beklagte von dem Drogenkonsum des Klägers erfuhr, kündigte sie das bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos mit Schreiben vom 28.10.2014. Sie hatte gegenüber dem Kläger vorher keine Abmahnung ausgesprochen.

Gegen diese außerordentliche fristlose Kündigung erhob der Kläger Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben der Kündigungsschutzklage des Klägers statt. Die Vorinstanzen waren der Auffassung, dass der Kläger zwar gegen seine Pflicht verstoßen habe, seinen Lkw mitsamt Ladung ausschließlich in einem Zustand uneingeschränkter Fahrtüchtigkeit zu führen, jedoch erachteten sie die außerordentliche Kündigung als unverhältnismäßig.

Das LAG ließ die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein einmaliger Drogenkonsum die außerordentliche Kündigung eines Berufskraftfahrers begründen kann, zu.

Die Entscheidung:

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der 6. Senat des BAG wies die Klage des Arbeitnehmers entgegen der Vorinstanzen ab.

Zur Begründung verwies das BAG darauf, dass ein Berufskraftfahrer seine Fahrtüchtigkeit nicht durch die Einnahme von Substanzen wie Amphetamin oder Metamphetamin gefährden dürfe. Das LAG habe nach Ansicht des BAG bei der vorzunehmenden Interessenabwägung die sich aus der Einnahme der vorgenannten Substanzen für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers typischerweise ergebenden Gefahren nicht hinreichend gewürdigt. Hierbei komme es nicht darauf an, ob die Fahrtüchtigkeit des Klägers bei den ab dem 13.10.2014 durchgeführten Fahrten konkret beeinträchtigt war und infolgedessen eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestand. Ebenso empfand es das BAG als irrelevant, dass der Drogenkonsum im privaten Lebensbereich erfolgte.

Fazit:

Das BAG entschied im vorliegenden Fall erstmals die Frage, ob Drogenkonsum im privaten Bereich, der gleichzeitig noch in die Arbeitszeit „fortwirkt“, eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen kann.  Bislang stellten die Instanzgerichte in Fällen, in denen ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit unter dem Einfluss von Drogen stand, zur Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung auf die konkrete Gefährdung Dritter ab.

Der 6. Senat des BAG entschied nunmehr, dass es bei einem positiven Drogenbefund bei einem Berufskraftfahrer während der Arbeitszeit weder konkret feststellbarer negativer Auswirkungen auf seine Arbeitsleistung noch einer konkreten Gefährdung oder gar Schädigung Dritter bzw. Rechtsgüter Dritter bedarf. Das BAG spricht im vorliegenden Fall ausdrücklich davon, dass der Arbeitnehmer seine Fahrtüchtigkeit nicht gefährden dürfe. Aus dem Drogenkonsum ergeben sich typischerweise Gefahren für die Fahrtüchtigkeit eines Berufskraftfahrers, welche bei jeder Interessensabwägung im Einzelfall berücksichtigt werden müssen.

Das Urteil des 6. Senats ergänzt damit folgerichtig die bisherige Rechtsprechung des BAG für Tätigkeiten im sicherheitsrelevanten Bereich. Das BAG entschied bereits, dass die Pflicht eines Arbeitnehmers, seine Arbeitsfähigkeit nicht durch privaten Alkoholgenuss zu beeinträchtigen, im sicherheitsrelevanten Bereich bereits bei sehr geringen Alkoholmengen verletzt sein kann (BAG  26.01.1995 – 2 AZR 649/94); entsprechend stellt die Trunkenheit eines Berufskraftfahrers am Steuer in der Regel einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs.1 BGB dar (vgl. BAG 23.09.1986 – 1 AZR 83/85). Das Urteil vom 20.10.2016, Az. 6 AZR 471/15 befindet sich mithin „auf Linie“ mit der bisherigen Rechtsprechung zum Alkoholkonsum.

Die Entscheidung dürfte darüber hinaus auch auf andere Tätigkeiten bzw. Branchen als die der Berufskraftfahrer anwendbar sein. Dies dürfte insbesondere für die o.g. Tätigkeiten im sicherheitsrelevanten Bereich gelten sowie für Tätigkeiten, die besondere öffentlich-rechtliche Berufsausübungsvoraussetzungen erfordern (z. B. besondere Fahrerlaubnis, Fluglizenz, Waffenschein etc.).

Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 57/16