Außerordentliche Kündigung wegen volksverhetzender Äußerungen in sozialen Netzwerken

Das Arbeitsgericht Herne entschied, dass die außerordentliche und fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers auf Grund einer Veröffentlichung eines fremdenfeindlichen und menschenverachtenden Beitrags in einem sozialen Netzwerk wirksam ist (Arbeitsgericht Herne, 5. Kammer, Urteil vom 22.03.2016 – Az. 5 Ca 2806/15).

Der Fall

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung 48 Jahre alt und seit 32 Jahren beanstandungsfrei bei der Beklagten als Bergmechaniker unter Tage beschäftigt. Der Kläger befand sich seit Oktober 2015 in Kurzarbeit und wäre – nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge – nicht mehr in ein aktives Beschäftigungsverhältnis zurückgekehrt, sondern in die sogenannte Anpassung gegangen.

Der Kläger verfügte über ein aktives Facebook-Profil. In seinem frei zugänglichen Facebook-Profil hat er als Arbeitgeber die Beklagte angegeben. Bei Aufruf seines Profils erschienen die Angaben zu seinem Arbeitgeber an oberster Stelle. Auf seiner Facebook-Seite teilte der Kläger eine Vielzahl von Beiträgen, welche sich mit dem Thema Asyl- und Einwanderungspolitik befasste. Daneben kommentierte der Kläger auch die Beiträge anderer Nutzer auf anderen Seiten. Am 05.10.2015 kommentierte er auf der Facebook-Seite des Fernsehsenders N-TV einen Beitrag über einen Brand in einer Asylunterkunft mit der Überschrift „Drama in Thüringen: Leiche nach Brand in Asylunterkunft gefunden“ mit folgenden Worten: „Hoffe, dass alle verbrennen … die nicht gemeldet sind.“
Auf der Facebook-Seite des Fernsehsenders erschienen neben dem Kommentar ein Profilbild sowie der Profilname des Klägers. Sobald Besucher der Webseite, die ihrerseits bei Facebook angemeldet waren, mit der Maus über den Namen oder das Bild fuhren, öffnete sich ein Pop-Up-Fenster, welches die Profilseite des Klägers anzeigte. Auf diesem Pop-Up-Fenster zeigte sich an oberster Stelle die Beklagte als Arbeitgeber des Klägers. Der Kommentar des Klägers führte zu Reaktionen anderer Facebook-Nutzer. Der Kläger reagierte hierauf unter anderem mit einem weiteren Beitrag, in welchem er äußerte: „Wenn mir einer sagt, ich bin Nazi … falsch … Herr Nazi.“

Nachdem die Beklagte von einem externen Dritten einen telefonischen Hinweis auf die Kommentierung des Klägers erhielt, hörte sie den Kläger zu dem Vorfall an. Der Kläger räumte in diesem Gespräch die Urheberschaft der Kommentare ein. Nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger mit seiner beim Arbeitsgericht Herne eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Die Entscheidung

Die Kündigungsschutzklage des Klägers hatte keinen Erfolg. Die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Herne wies die Klage ab.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Sodann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht. Auch vertragliche Nebenpflichtverletzungen nach § 241 Abs. 2 BGB können „an sich“ für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung geeignet sein.

Zwar sind Arbeitnehmer auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, allerdings bedarf es in solchen Fällen immer eines Bezugs zur dienstlichen Tätigkeit. Ein solcher Bezug kann auch dadurch entstehen, dass der Arbeitgeber in der Öffentlichkeit mit einer Straftat in Verbindung gebracht wird. Der Kläger hat seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten verletzt, da er unter Verwendung eines öffentlich zugänglichen Facebook-Profils, in dem die Beklagte in identifizierbarer Weise als Arbeitgeber benannt wurde, volksverhetzende Kommentare auf der Facebook-Seite des Fernsehsenders veröffentlicht hat. Das Verhalten des Klägers ist dabei nicht vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt.

Einer der Kündigung vorausgehenden Abmahnung bedurfte es nicht, da es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass bereits deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Auf Grund der Schwere der Pflichtverletzung war es trotz der langen Betriebszugehörigkeit von 32 Jahren und der unstreitigen Tatsache, dass der Kläger nicht mehr in ein aktives Beschäftigungsverhältnis zurückkehren würde, für die beklagte Arbeitgeberin nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Die öffentlichen Äußerungen des Klägers bei Facebook haben außerbetrieblich zu einer Beeinträchtigung des Ansehens der Beklagten geführt. Zur Minimierung des nach außen hin eingetretenen Imageschadens der Beklagten erscheint es deshalb unter Abwägung der widerstreitenden Interessen beider Vertragsteile angemessen, das Arbeitsverhältnis des Klägers mit sofortiger Wirkung zu lösen.

Fazit

Der Entscheidung des Arbeitsgerichts Herne ist in jeder Hinsicht zuzustimmen. Das Urteil liefert einen wertvollen Beitrag zu den arbeitsrechtlichen Auswirkungen von Äußerungen in sozialen Netzwerken und weist einen großen Aktualitätsbezug auf.

Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Herne dürfte jeder Eintrag in einem sozialen Netzwerk, der einen Straftatbestand erfüllt und somit geeignet ist, dem Ansehen des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit zu schaden, eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen. Der ausreichende Bezug zum Arbeitsverhältnis dürfte dann gegeben sein, wenn für Dritte objektiv erkennbar ist, wer Arbeitgeber des Facebook-Nutzers ist. Dies ist nicht nur auf der Plattform Facebook denkbar, sondern insbesondere bei beruflichen sozialen Netzwerken, wie z. B. XING oder LinkedIn.

Quelle: Arbeitsgericht Herne, 5. Kammer, Urteil vom 22.03.2016 – Az. 5 Ca 2806/15