Einspruch einlegen lohnt sich – Bußgelder für Unternehmen wegen Verstößen gegen Corona-Schutzverordnungen

Nach fast einem Jahr Corona-Pandemie in Deutschland beschäftigen sich nun auch verstärkt die Gerichte mit Ordnungswidrigkeitsverfahren zum Thema Corona. Nachdem im letzten Jahr Verstöße gegen Kontaktbeschränkungen die Behörden und Gerichte beschäftigten, rücken nun Unternehmen in den Fokus der Obrigkeit. Streitfall ist regelmäßig die die Unternehmen besonders hart treffenden Betriebsbeschränkungen.

Die bisher veröffentlichten Urteile betreffen zwar nur gegen Privatpersonen gerichtete Ordnungswidrigkeitsverfahren und nicht solche gegen Unternehmen. Die Urteile lassen alle eine Tendenz erkennen: Bisher scheuen die Gerichte zurück, Betroffene wegen eines Verstoßes gegen eine Corona-Schutzverordnung oder eine Corona betreffende Allgemeinverfügung zu verurteilen. Die Begründungen der Urteile können als Argumentationshilfen für Unternehmen dienen, um gegen sie gerichtete Ordnungswidrigkeitsverfahren vorzugehen.

Auffallend ist, dass die den Bußgeldverfahren zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen der gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Im letzten Jahr haben die Verwaltungsgerichte die präventiven Maßnahmen der Behörden noch gebilligt und die Rechtsgrundlagen nicht beanstandet. Im Rahmen von Bußgeldverfahren entscheiden die Gerichte jetzt anders und sprechen den Corona-Schutzverordnungen teilweise die Verfassungsmäßigkeit ab. Dies scheint auch nicht verwunderlich, denn das Strafrecht, zu dem auch das Ordnungswidrigkeitsrecht zählt, ist das „schärfste Schwert“ der Justiz und bedarf daher bei seiner Anwendung einer strengen Prüfung.

Die Gerichte bemängeln insbesondere folgende Punkte:

  • Schwerwiegende Eingriffe Grundrechte seien dem Gesetzgeber vorbehalten und nicht der Exekutive
  • Regelmäßig würden die Corona-Schutzverordnungen gegen den Wortlaut des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) verstoßen
  • Schwere Vorhersehbarkeit für die Betroffenen, ob ein Verhalten rechtmäßig oder rechtswidrig sei
  • Generelles Kontaktverbot unterscheide nicht zwischen Infizierten und Nichtinfizierten
  • Die Regelungen der Corona-Schutzverordnungen seien nicht bestimmt genug.

Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstoß gegen die Corona-Schutzverordnung
Streitgegenstand der Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnungen oder Allgemeinverfügungen ist der Bußgeldbescheid, welcher am Ende des Bußgeldverfahrens von der zuständigen Behörde erlassen worden ist. Ausgangspunkt jedes Ordnungswidrigkeitsverfahrens ist der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit. Im Falle von Corona sind die Ordnungswidrigkeiten in den jeweiligen Corona-Schutzverordnungen oder den aufgrund von Corona erlassenen Allgemeinverfügungen geregelt. Wenn die Begehung einer Ordnungswidrigkeit im Raume steht, leitet die zuständige Behörde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. Das Verfahren zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten unterteilt sich dann in das Bußgeldverfahren und das gerichtliche Verfahren. Beide Verfahren werden durch ein Zwischenverfahren verbunden.

Das Bußgeldverfahren
Im Bußgeldverfahren ermittelt die zuständige Behörde, ob eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist. Im Rahmen der Ermittlungen erhält der Betroffene oder das Unternehmen die Möglichkeit, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Hierzu erhält er einen Anhörungsbogen, in welchem ihm der Sachverhalt mitgeteilt wird. Wenn ausreichende Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeit vorliegen, entscheidet die zuständige Behörde, ob und, wenn ja, wie die Ordnungswidrigkeit geahndet wird.

In den meisten Fällen wird das Bußgeldverfahren mit dem Erlass eines Bußgeldbescheides enden. Die Höhe des jeweiligen Bußgeldes richtet sich nach den jeweiligen Bußgeldkatalogen, die den Behörden regelmäßig einen Spielraum bei der Festsetzung der Bußgeldhöhe einräumen. Jedes Bußgeld muss jedoch einzeln festgesetzt werden. Bei der Festsetzung hat die zuständige Behörde objektive (z.B.: Dauer, Intensität und Folgen des Verstoßes) und subjektive Kriterien (z.B.: Beweggründe, persönliche Kenntnisse des Betroffenen) zu berücksichtigen.

Beachtet werden muss, dass das Bußgeld so hoch sein soll, dass der Vorteil abgeschöpft wird, den der Betroffene oder das Unternehmen durch die Ordnungswidrigkeit erlangt hat. Gerade für Unternehmen kann diese Regelung bedeuten, dass die Bußgelder um ein Vielfaches höher ausfallen, als die in den Bußgeldkatalogen vorgesehenen Rahmenwerte. Insbesondere dann, wenn gleich mehrere Filialen und Standorte des Unternehmens betroffen sind.

Adressat eines Bußgeldbescheides
Adressat eines Bußgeldbescheides ist regelmäßig eine natürliche Person. Denn ordnungswidrig handeln können nur natürliche Personen. Handelt allerdings eine natürliche Person bei Begehung einer Ordnungswidrigkeit als vertretungsberechtigtes Organ eines Unternehmens, so kann gem. § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) eine Geldbuße auch gegen das Unternehmen verhängt werden. Das Unternehmen wird so behandelt, als habe es selbst die Ordnungswidrigkeit begangen.

Das Zwischenverfahren und Hauptverfahren
Ergeht dann ein Bußgeldbescheid und ist der Betroffene mit diesem nicht einverstanden, kann er gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen. Diesen Verfahrensabschnitt nennt man Zwischenverfahren. Das Zwischenverfahren dient der Selbstkontrolle der Verwaltung und gibt dieser die Möglichkeit zur Änderung ihrer Entscheidung. Wenn der Bußgeldbescheid aufrechterhalten wird, übernimmt die Staatsanwaltschaft das Verfahren, die ihrerseits nochmal den Vorwurf überprüft. Wenn dann auch die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis gelangt, dass der Bußgeldbescheid aufrechterhalten werden soll, wird das Verfahren dem Amtsgericht vorgelegt, welches die Zulässigkeit des Einspruchs und einen hinreichenden Tatverdacht prüft. Bejaht das Amtsgericht dies, kommt es zum Hauptverfahren.

Im Hauptverfahren wird die Ordnungswidrigkeit vor dem Amtsgericht verhandelt. Im Hauptverfahren überprüft das Gericht unter anderem auch die gesetzliche Grundlage, auf welcher der Bußgeldbescheid erlassen wurde. Am Ende des Hauptverfahrens entscheidet das Amtsgericht durch Urteil, ob der Betroffene wegen der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit verurteilt oder freigesprochen wird.

In Bezug auf die Corona-Schutzverordnungen haben die Gerichte eine Vielzahl von Aspekten der Corona-Schutzverordnung bemängelt:

Corona-Schutzverordnung verstößt gegen den Gesetzesvorbehalt
Das Amtsgericht Dortmund (Urteil vom 02.11.2020, Az. 733 OWi-127 Js 75/20 – 64/20) stellte fest, dass die damals geltende Regelung in der nordrhein-westfälischen Corona-Schutzverordnung keine geeignete gesetzliche Grundlage sei, um ein Kontaktverbot auszusprechen und einen Ordnungswidrigkeitstatbestand darzustellen. Bei einem Kontaktverbot handele es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützten Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Eine solche Regelung sei daher dem Gesetzgeber vorbehalten und nicht der Exekutive.

Verstoß gegen den Wortlaut des Infektionsschutzgesetzes
Darüber hinaus verstoße ein generelles Kontaktverbot auch gegen den Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG – die Rechtsgrundlage, auf welcher die Corona-Schutzverordnung beruhe. Das Kontaktverbot könne, wenn überhaupt, nur unter die Verpflichtung gefasst werden, öffentliche Orte nur unter bestimmten Bedingungen, nämlich nur mit höchstens zwei Personen, zu betreten. Der Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG erlaube jedoch nur das Betretungsverbot konkreter Orte. Eine das gesamte Landesgebiet betreffende Regelung ist vom Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht gedeckt. Auch unter § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG könne das Kontaktverbot nicht fallen, da eine Ansammlung von mehr als drei Personen nicht mit der in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG geregelten „größeren Anzahl von Menschen“ vergleichbar sei.

Infektionsschutzgesetz zu unkonkret
Ferner würde das Infektionsschutzgesetz nicht die Anforderungen erfüllen, die das Gefahrenabwehrrecht an eine Generalklausel stelle. Das Infektionsschutzgesetz würden keine konkrete Gefahrenlage verlangen. Eine konkrete Gefahrenlage solle jedoch im Gefahrenabwehrrecht eine gewisse Vorhersehbarkeit gewährleisten. Ähnlich argumentierte auch das Amtsgericht Weimar (Urteil vom 11.01.2021, Az. 6 OWi – 523 Js 202518/20). Das Urteil des Amtsgericht Weimar wurde jedoch in der Tages- und Fachpresse kontrovers gesehen, weil sich das Gericht zu grundsätzlicher Kritik der Pandemiepolitik hat hinreißen lassen.

Weiter moniert das Amtsgericht Dortmund, dass das generelle Kontaktverbot der nordrhein-westfälischen Corona-Schutzverordnung auch denjenigen betreffe, der für die Gefahr nicht verantwortlich ist und nicht nur den Verantwortlichen. Personen, die für eine Gefahr nicht verantwortlich seien, könnten nur unter besonderen Voraussetzungen herangezogen werden. Ein generelles Kontaktverbot, welches zwischen Infizierten oder Personen mit einem erhöhten Infektionsrisiko einerseits und gesunden Menschen oder solchen, von denen kein Risiko ausgeht, anderseits nicht differenziere, werde dem Grundsatz der vorrangigen Inanspruchnahme von Verantwortlichen nicht gerecht.

Bemängelt wurde in einer weiteren Entscheidung (OLG Oldenburg, Beschluss vom 11.12.2020, Az. 2 Ss (OWi) 286/20) zudem die ungenügende Bestimmtheit der Norm. Das Oberlandesgericht Oldenburg stellte fest, dass der in der einschlägigen Vorschrift verwendete Begriff „absolut nötiges Minimum“ nicht bestimmt genug gewesen sei und somit gegen das Grundgesetz verstoßen habe. Das Grundgesetz hielte nämlich den Gesetzgeber an, das Auferlegen von Bußgeldern so konkret zu formulieren, dass jedermann vorhersehen könne, ob sein Verhalten erlaubt oder verboten sei.

Fazit
Aufgrund der im Ordnungswidrigkeitsverfahren vorgesehenen Abschöpfung der erlangten Vorteile drohen gerade Unternehmen empfindliche Strafen. Unternehmen sollten daher frühzeitig prüfen, ob sie gegen einen (drohenden) Bußgeldbescheid vorgehen wollen. Da die Normen, auf den die Bußgeldbescheide beruhen, eine Vielzahl von Schwächen aufweisen, die einer gesetzlichen Überprüfung unter Umständen nicht standhalten werden, scheinen Vorgehen gegen die Bescheide nicht aussichtslos. In vielen der bisher veröffentlichten Entscheidungen sind die Betroffenen freigesprochen worden und mussten die im Raume stehenden Bußgelder nicht zahlen. Die Urteile zeigen auf, dass es mehrere Ansatzpunkte gibt um gegen Bußgeldbescheide vorzugehen, die aufgrund eines im Raume stehenden Verstoßes gegen eine Corona-Schutzverordnung oder eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen worden sind.

Sie sehen also: Einspruch einlegen lohnt sich!

Rechtsanwalt Dr. Nico Herbst
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