Zum Betriebsübergang bei Rettungsdiensten

Auch bei betriebsmittelgeprägten Betrieben, wie einem Rettungsdienst, muss zur Feststellung eines Betriebsübergangs im Rahmen einer Gesamtbewertung überprüft werden, ob eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortgeführt wird (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.08.2016 – 8 AZR 53/15).

Der Fall

Die Klägerin stand, zuletzt als Rettungsassistentin, in einem Arbeitsverhältnis zu einem eingetragenen Verein, der für den beklagten Landkreis den Rettungsdienst durchführte und hierzu vier Rettungswachen unterhielt. Insgesamt waren 41 Arbeitnehmer/innen bei dem Verein beschäftigt. Der Beklagte entschied, den Rettungsdienst ab Juni 2011 selbst durchzuführen. Daher kündigte er die mit dem Verein geschlossenen Untermiet- und Mietverträge über die Rettungswachen, bestellte neue Rettungsfahrzeuge und schrieb die Stellen des Rettungsdienstes neu aus. In dem Auswahlverfahren wählte er aus 70 Bewerbern neben den bereits zuvor bei dem Verein tätigen 41 Beschäftigten etwas mehr als zehn neue Beschäftigte aus, um ein verändertes Schichtmodell durchführen zu können. Der Beklagte stellte alle Beschäftigten zum 01.06.2011 ein. Der Beklagte übernahm die Einrichtungsgegenstände der Rettungswachen, nicht aber die von dem Verein beschafften Rettungsfahrzeuge. Die neuen Fahrzeuge kamen ebenfalls ab dem 01.06.2011 zum Einsatz.

Mit ihrer Feststellungsklage machte die Klägerin geltend, dass der Beklagte im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverträgen mit dem Verein eingetreten sei. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht wies die Klage dagegen ab.

Die Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zwar entschied der 8. Senat, dass das Landesarbeitsgericht seine die Klage abweisende Entscheidung nicht ausschließlich damit begründen durfte, allein die sächlichen Betriebsmittel, insbesondere die Rettungsfahrzeuge, seien für den Betrieb des Rettungsdienstes identitätsprägend, da deren Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmache. Die Gesamtbewertung aller maßgeblichen Kriterien durch den Senat ergab allerdings, dass die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden war, weil die wirtschaftliche Einheit „Rettungsdienst“ nach dem Inhaberwechsel ihre Identität nicht bewahrt hatte und daher nicht von einem Betriebsübergang auszugehen war.

Fazit

§ 613a BGB findet grundsätzlich auch dann Anwendung, wenn die öffentliche Hand einen privatrechtlich organisierten Betrieb übernimmt, es sei denn, die Übertragung betrifft eine hoheitliche Tätigkeit. In ständiger Rechtsprechung prüft das Bundesarbeitsgericht anhand einer Gesamtbetrachtung, ob bei dem vermeintlichen Betriebserwerber die von der Übertragung betroffene wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortbesteht. Dass das Bundesarbeitsgericht auch bei betriebsmittelgeprägten Betrieben, wie einem Rettungsdienst, eine Gesamtbewertung verlangt, ist konsequent.

Im vorliegenden Fall hatte die Verneinung eines Betriebsübergangs nicht zur Folge, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestand, da der Beklagte alle Beschäftigten des Vereins eingestellt hatte. Stattdessen unterschieden sich die Arbeitsbedingungen bei den Vertragsarbeitgebern nicht unwesentlich: Während sich das Arbeitsverhältnis mit dem Verein nach den Allgemeinen Vertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes richtete, verwies der mit dem Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag auf den TVöD.

Quelle:

Pressemitteilung Nr. 45/16 zu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.08.2016 – 8 AZR 53/15