Wegeunfall im Homeoffice: Ist ein Sturz auf dem Weg vom Bett zum häuslichen Schreibtisch gesetzlich unfallversichert?

Verletzt sich ein Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit, stellt sich die Frage, ob er zum Unfallzeitpunkt tatsächlich einen Weg zurückgelegt hat und somit gesetzlich unfallversichert ist oder ob sich der Arbeitnehmer noch in dem unversicherten häuslichen Lebensbereich aufgehalten hat.

Zumindest die bisherige Rechtsprechung zog die Grenze beim Durchschreiten der Haustür des Gebäudes (Mehr- oder Einfamilienhaus), in dem sich die Wohnung des Arbeitnehmers befindet. Allerdings könnte demnach ein im Homeoffice beschäftigter Arbeitnehmer niemals innerhalb der Wohnung oder des Hauses bei einem Unfall wegeunfallversichert sein gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Eine aktuelle Rechtssache vor dem Bundessozialgericht hat diese Rechtsprechung nun korrigiert (Bundessozialgericht, Urteil vom 08.12.2021 – B 2 U 4/21 R).

Der Fall

In dem kürzlich vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall klagte ein Arbeitnehmer auf Leistungen der beklagten Berufsgenossenschaft aus Anlass eines Unfalls. Der Kläger, der im Homeoffice tätig war, befand sich auf dem Weg von seinem Schlafzimmer in das eine Etage tiefer gelegene häusliche Büro, in dem er üblicherweise unmittelbar und ohne zu frühstücken mit der Arbeitsaufnahme beginnt. Das Büro ist durch eine die Räume verbindende Wendeltreppe erreichbar, auf der der Kläger ausrutschte und sich infolge dessen einen Brustwirbel brach.

Das erstinstanzliche Sozialgericht Aachen sah den Unfall als gesetzlich unfallversichert an, da es sich bei dem Weg zum häuslichen Büro um den erstmaligen morgendlichen Weg des Arbeitnehmers zum Arbeitsplatz handelte, der einen versicherten Betriebsweg darstellt.

Dies lehnte das Landessozialgericht NRW allerdings ab und sah den Weg als unversicherte Vorbereitungshandlung an, die der eigentlichen Tätigkeit lediglich vorausgeht. Dabei bezog es sich auf die bisherige, bereits oben beschriebene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dahin gehend, dass ein Arbeitnehmer die Haustür überschreiten muss, damit er den unversicherten häuslichen Bereich verlässt.

Die Entscheidung

Das Bundessozialgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts und sah den Unfall als gesetzlich unfallversichert an. Begründet wird dies damit, dass sich der Arbeitnehmer auf dem morgendlichen erstmaligen Weg in sein häusliches Büro befand, als sich der Unfall ereignete. Das Beschreiten der Wendeltreppe diente allein der erstmaligen Arbeitsaufnahme und ist daher als Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers als Betriebsweg versichert.

Fazit

Das Urteil des Bundessozialgerichts ist für die Praxis besonders wichtig, da die bisherige Rechtsprechung korrigiert und an die aktuell vermehrte Nutzung des Homeoffice angepasst wird. Durch die neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unterliegt die Tätigkeit im Homeoffice nunmehr im gleichen Umfang der gesetzlichen Unfallversicherung wie die Tätigkeit im Betrieb. Damit können im Homeoffice tätige Arbeitnehmer beispielsweise nun auch für Wege zum Holen eines Getränks, zur Nahrungsaufnahme oder zum Toilettengang gesetzlich unfallversichert sein.

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André Ueckert

André Ueckert

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