Von „Marschallstäben, Karawanen und Tornistern“ – Neues (?) zur Betriebsratsvergütung

Die große Strafkammer des LG Braunschweig hat sich im Rahmen eines medial prominenten Untreueverfahrens – „fachübergreifend“ – mit Fragen des Betriebsverfassungsrechts befasst. Nicht nur deshalb lohnt eine Betrachtung der arbeitsrechtlichen Thematik. Aktuell ist die Revision beim Bundesgerichtshof anhängig (LG Braunschweig, Urteil vom 28.09.2021 – 16 KLS 85/19).

DER FALL

Auslöser für das der Entscheidung zugrunde liegende Strafverfahren war die unternehmensseitige Vergütung von insgesamt fünf freigestellten Betriebsratsmitgliedern deutlich oberhalb ihrer eigentlichen vertraglichen Vergütung, in Summe mehr als 5 Mio. EUR über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg.

Aber wann sind Betriebsräte eigentlich „überbezahlt“? Ein Blick auf die arbeitsrechtlichen Grundlagen dazu lohnt sich.

Wie werden Betriebsräte denn bezahlt?

Das Betriebsratsamt ist ein unentgeltliches Ehrenamt, so will es der Gesetzgeber. Für die Betriebsratstätigkeit wird nichts bezahlt, es gibt weder eine „Amtsvergütung“ noch ist die Betriebsratstätigkeit eine zu vergütende Arbeitsleistung.

Betriebsratsmitglieder werden zur sachgerechten Ausübung ihrer Aufgaben von der Arbeitspflicht freigestellt, sie erhalten während der Betriebsratsarbeit weiter ihr vertragliches Arbeitsentgelt, und zwar grundsätzlich auch in unveränderter Höhe. Umfasst sind neben dem Grundgehalt auch sämtliche Nebenbezüge, vor allem Zuschläge und Zulagen, egal, ob diese leistungs- oder tätigkeitsbezogen sind. Das gilt sowohl für freigestellte als auch für nicht freigestellte Mitglieder des Gremiums. Weder durch das Betriebsratsamt noch durch dessen Ausübung ändert sich am Arbeitsvertrag – und an der vereinbarten Vergütung – irgendetwas.

Kann Betriebsratsarbeit nicht auch anders bezahlt werden? Nein!

Das Betriebsverfassungsgesetz legt äußere Grenzen für die rechtmäßige Vergütung von Betriebsratsmitgliedern fest. Gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung, nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden – dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Letztere impliziert eine hypothetische Betrachtung, die die äußere Grenze für eine Gestaltung der vertraglichen Vergütung eines Betriebsratsmitglieds im Zusammenhang mit der Freistellung von der Arbeitsverpflichtung definiert. Wird diese Bezugsgrenze überschritten, liegt eine gesetzlich verbotene Begünstigung vor. Im Unternehmenskontext kann das – wie im entschiedenen Fall – zu strafrechtlichen Vorwürfen der Untreue gegenüber den handelnden Personen führen.

Verboten sind insbesondere

  • jede Vergütung für das Betriebsratsamt oder dessen Ausübung selbst, insbesondere die Gewährung von „Amtszulagen“ oder „Sitzungsgeldern“;
  • Aufwandsentschädigungen ohne den konkreten Nachweis des Aufwands;
  • eine Gewährung von rein amtsbezogenen Nebenleistungen, (wie bspw. Werkswohnungen, Arbeitgeberdarlehen, Personaleinkauf, Dienstwagen zur Privatnutzung), die vergleichbaren Mitarbeitenden im Unternehmen nicht gewährt werden;
  • Beförderungen allein aufgrund der Betriebsratstätigkeit, „Sonderkarrieren“. 
LG Braunschweig: „Augenhöhe“ ist kein Vergütungsmodell für Betriebsräte!

Ungeachtet dezidiert verfasster unternehmensinterner Regelungen der Vergütung von Betriebsräten gelangte das LG Braunschweig in der Entscheidung vom 28.09.2022 zu dem Ergebnis, dass eine Bezahlung von Betriebsräten als „Co-Manager“ oder „auf Augenhöhe“ mit den Verhandlungspartnern auf Arbeitgeberseite die Grenzen des arbeitsrechtlich Zulässigen überschreitet. Im Bild der im Unternehmen gewählten arbeitsrechtlichen Beratung gesprochen reicht es bei der Betrachtung der hypothetischen arbeitsvertraglichen Entwicklung eines Betriebsratsmitglieds eben nicht aus, dass dieses im Verhältnis zu den vergleichbaren Arbeitnehmenden in derselben „Karawane“ einen „Marschallstab“ im sprichwörtlichen „Tornister“ als Qualifikationspotenzial bei sich führen, um eine Vergütung außerhalb der „Karawane“ zu rechtfertigen. Die Arbeit als Betriebsrat ist nicht die Arbeit als „Marschall der Karawane“ – sie kann dann als solche auch nicht vergütet werden, so das LG. Eine solche „betriebsratstätigkeitsbezogene“ Vergütung sei mit den §§ 37, 78 BetrVG nicht vereinbar. Die als Bemessungsgrundlage gewählte Augenhöhe hatte, so das LG, keinen Bezug mehr zur Ausbildung der Betriebsräte, zu deren arbeitsvertragliche Vergütung und auch nicht zu einer hypothetischen Betrachtung der weiteren Entwicklung des jeweiligen Arbeitsverhältnisses ohne Übernahme des Amtes als Betriebsrats. Mit der festgestellten gesetzeswidrigen „betriebsratstätigkeitsbezogenen“ Begünstigung entgegen § 78 Satz 2 BetrVG ging dann die Anklage der Personalverantwortlichen des Unternehmens wegen einer Untreue zum Nachteil des Unternehmens einher. Die Angeklagten wurden erstinstanzlich freigesprochen, weil ihnen mit Blick auf eine dezidierte anwaltliche Beratung zur Gestaltung der Betriebsratsvergütung jedenfalls kein Untreuevorsatz nachgewiesen werden konnte. Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung der Revision ausfällt.

Ungeachtet dessen setzt die Entscheidung des LG Braunschweig – jedenfalls zwischenzeitlich – einen wichtigen Maßstab für jegliche Gestaltung einer vom Arbeitsvertrag losgelösten Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Es kann nur unbedingt empfohlen werden, etwaig bestehende abweichende Vergütungsstrukturen für Betriebsratsmitglieder rechtlich zu überprüfen und gegebenenfalls notwendige Anpassungen umzusetzen.

Was droht bei Verstößen? Strafbarkeiten und Ersatzverpflichtungen!

Das LG Braunschweig macht eine enge Verflechtung zwischen Arbeitsrecht und Strafrecht sehr deutlich. Das Risiko einer Untreue ist aber nicht alles, was drohen kann. Betriebsverfassungsrechtliche und auch steuerrechtliche Strafbarkeiten kommen in diesen Fällen ebenfalls in Betracht, so etwa nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG wie auch nach § 307 Abs. 1 Nr. 1 AO, falls die rechtswidrige Begünstigung als Betriebsausgabe deklariert werden sollte. Auch Betriebsräte können sich der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen, von Kündigungen ihres Arbeitsverhältnisses ganz zu schweigen. Darüber hinaus stehen die verantwortlich handelnden Organe einer Gesellschaft immer im Risiko, für die entstandenen Schäden zu Schadenersatzforderungen durch das Unternehmen herangezogen zu werden. Eine Abdeckung solcher Schäden durch bestehende D&O-Versicherungen darf dabei nicht erwartet werden.

FAZIT

Ein Strafgericht bringt „fachfremden“ Schwung in gesetzlich und höchstrichterlich unklare Fragestellungen des kollektiven Arbeitsrechts. Erste Repliken der „arbeitsrechtlichen Karawane“ liegen bereits vor, weitere werden folgen. Mit Spannung darf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs erwartet werden.

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Volker Werxhausen

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Anne C. Jonas

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