(Noch) keine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung

Verfügt ein Arbeitgeber über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, kommt zwischen dem an einen Dritten verliehenen Arbeitnehmer und dem Dritten auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers nicht als Arbeitnehmerüberlassung, sondern als Werkvertrag bezeichnet wurde (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.07.2016 – 9 AZR 352/15).

Der Fall

Die Klägerin war in den Jahren 2004 bis 2013 als technische Zeichnerin bei dem beklagten Automobilunternehmen tätig. Grundlage ihrer Tätigkeit waren die zwischen ihrer Vertragsarbeitgeberin und der Beklagten geschlossenen Vereinbarungen, die als Werkverträge bezeichnet waren. Die Vertragsarbeitgeberin verfügte über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Die Klägerin trug vor, dass ihre Vertragsarbeitgeberin und die Beklagte nur Scheinwerkverträge geschlossen hätten, um die tatsächlich praktizierte Arbeitnehmerüberlassung zu verdecken. Zwischen den Parteien sei aufgrund der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Die Beklagte könne sich nicht auf die erteilte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Über das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg in einem Parallelverfahren berichteten wir.

Die Entscheidung

Auch die Revision der Klägerin vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht befand, dass zwischen der Beklagten und der Klägerin auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen wäre, wenn die Klägerin auf der Grundlage eines Scheinwerkvertrags als Leiharbeitnehmerin der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden wäre. Maßgeblich sei, dass die Vertragsarbeitgeberin der Klägerin über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfüge. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiere i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich beim Fehlen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe für diesen Fall bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet.

Fazit

Bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung lässt sich die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem überlassenen Leiharbeitnehmer nach geltendem Recht noch dadurch verhindern, dass der Verleiher rechtzeitig vor dem Einsatz der Leiharbeitnehmer eine sog. Vorratserlaubnis beantragt. Gerade in Zweifelsfällen erschien es bislang sinnvoll, vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu beantragen.

Nach dem Regierungsentwurf des „Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“, das zum 01.01.2017 in Kraft treten soll, wird sich dies ändern. Verleiher und Entleiher sind zukünftig zur Offenlegung der Arbeitnehmerüberlassung verpflichtet und haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ausdrücklich als solche zu bezeichnen und vor dem Einsatz eines Leiharbeitnehmers dessen „Person […] unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren“ (§ 1 Abs. 1 AÜG-E). Bei einer Verletzung der Offenlegungspflicht droht nicht nur ein Bußgeld in Höhe von bis zu 30.000 € (§ 16 Abs. 1 Ziff. 1c) AÜG-E), sondern es wird – vorbehaltlich eines Widerspruchs des Leiharbeitnehmers – ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher fingiert (§ 10 AÜG-E). Der mit dem Verleiher geschlossene Arbeitsvertrag ist in diesem Fall unwirksam (§ 9 Nr. 1a) AÜG-E).

Quellen:

PM Nr. 35/16 zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.07.2016 – 9 AZR 352/15
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2015 – 6 Sa 78/14