Neues zum Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit: Keine anteilige Reduzierung des Jahresurlaubsanspruchs bei tageweise angeordneter Kurzarbeit

Die Frage der rechtmäßigen Berechnung des jährlichen Urlaubsanspruchs unter Berücksichtigung von angeordneter Kurzarbeit beschäftigt weiterhin die deutschen Arbeitsgerichte. Im März 2021 hatte bereits das LAG Düsseldorf entschieden, dass jedenfalls die sog. „Kurzarbeit Null“ den Urlaubsanspruch automatisch reduziert, ohne dass es einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf (wir hatten hierüber in unserem Newsletter-Beitrag vom 20.04.2021 berichtet). Das Arbeitsgericht Osnabrück hat nun in Bezug auf nur tageweise angeordnete Kurzarbeit entschieden, dass der Erholungsurlaub nicht anteilig zu kürzen ist (Arbeitsgericht Osnabrück v. 08.06.2021 – 3 Ca 108/21).

Der Fall

Die Parteien stritten über den Umfang des Jahresurlaubsanspruchs eines Arbeitnehmers.

Infolge pandemiebedingt anhaltenden Auftragsrückgangs führte der beklagte Arbeitgeber auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung tageweise Kurzarbeit ein. Gemäß der Betriebsvereinbarung war es dem Arbeitgeber gestattet, die Kurzarbeit mit einer kurzen Ankündigungsfrist von zwei Werktagen einzuführen, zu beenden oder zu reduzieren. Hierdurch konnte es zwar zu einzelnen arbeitsfreien Tagen für die Arbeitnehmer kommen, eine Möglichkeit zur Reduzierung der Arbeitszeit auf „Null“ sah die Betriebsvereinbarung jedoch nicht vor. Aufgrund der für einige Arbeitstage angeordneten Kurzarbeit kürzte der Arbeitgeber die Urlaubstage der Arbeitnehmer anteilig im Verhältnis zu den im gesamten Jahr gearbeiteten Jahresarbeitstagen. Gegen diese anteilige Kürzung seines Jahresurlaubsanspruchs wandte sich der Kläger mit seiner arbeitsgerichtlichen Klage und verlangte die Gutschrift der ihm anteilig gekürzten Urlaubstage. Zur Begründung verwies er auf die sehr kurzen Ankündigungsfristen aufgrund der Betriebsvereinbarung, die ihm im Unterschied zu einem Teilzeitarbeitnehmer eine vorhersehbare und frei gestaltbare Freizeit unmöglich machten. Der Beklagte hielt die anteilige Urlaubskürzung u. a. mit Blick auf die zulässige Urlaubsreduzierung bei Teilzeitarbeitnehmern und mit Blick auf die Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 12.03.2021 zur Urlaubsreduzierung bei „Kurzarbeit Null“ für zulässig. Das Arbeitsgericht Osnabrück schloss sich im Ergebnis der Rechtsauffassung des Klägers an und hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Die Entscheidung

Nach Auffassung der zuständigen Kammer ist der Beklagte verpflichtet, den gekürzten Urlaubsanteil dem Urlaubskonto des Klägers wieder gutzuschreiben. Zur Begründung verwies das Arbeitsgericht auf das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), wonach Erholungsurlaub unabhängig von der Erbringung einer konkreten Arbeitsleistung gewährt werde. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis ruht und somit die gegenseitigen Leistungspflichten dauerhaft unterbrochen seien. Im Unterschied zur „Kurzarbeit Null“ könne bei der Einführung von tageweiser Kurzarbeit von einem Ruhen der gegenseitigen Leistungspflichten jedoch nicht die Rede sein. Weiterhin sei die tageweise angeordnete Kurzarbeit mangels Planbarkeit aufgrund der sehr kurzen Ankündigungsfrist von zwei Tagen gemäß der Betriebsvereinbarung auch nicht mit einem (dauerhaften) Teilzeitarbeitsverhältnis vergleichbar, in dem eine anteilige Kürzung des Urlaubs entsprechend der regelmäßigen Wochenarbeitstage zulässig sei. Die erkennende Kammer stellte zudem fest, dass für Ruhenstatbestände, wie beispielsweise für die Elternzeit nach dem BEEG, anteilige Urlaubskürzungen gesetzlich vorgesehen seien. Für angeordnete Kurzarbeit fehle es jedoch an einer entsprechenden Regelung. Hieraus sei zu schlussfolgern, dass eine entsprechende Kürzung nicht zulässig sei.

Fazit

Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, wie der Jahresurlaub bei tageweise angeordneter Kurzarbeit richtigerweise zu berechnen ist, hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Berufung zum LAG zugelassen. Die Entscheidung ist somit noch nicht rechtskräftig und zum jetzigen Zeitpunkt nicht als allgemeingültig zu betrachten. Da sich das BAG auch in Bezug auf die Frage der automatischen Urlaubsreduzierung bei „Kurzarbeit Null“, die Gegenstand der Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 12.03.2021 war, noch nicht abschließend geäußert hat, sind die Auswirkungen von Kurzarbeit auf Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer höchstrichterlich weiterhin ungeklärt. Nichtsdestotrotz geben die Entscheidungen des Arbeitsgerichts Osnabrück und des LAG Düsseldorf erste Richtwerte, wie die Berechnung von Urlaubstagen bei angeordneter Kurzarbeit richtigerweise zu erfolgen hat.

Gerne halten wir Sie zu dieser Thematik weiterhin auf dem Laufenden!