Neues zum Freizeitausgleichsanspruch des Betriebsrates

Mit seiner Entscheidung vom 15.05.2019 (BAG, Urteil vom 15.05.2019 – 7 AZR 397/17) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine bisherige Rechtsprechung zum Freizeitausgleichsanspruch gem. § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG aufgegeben. Nunmehr vertritt das BAG, anders als zuvor, dass es für den Freizeitausgleichsanspruch lediglich darauf ankomme, ob die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen zu einer Zeit zu leisten sei, zu der das Betriebsratsmitglied keine Arbeitsleistungen zu erbringen habe.

Hintergrund

Gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts zum Ausgleich von Betriebsratstätigkeiten, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen sind. Für Diskussionen hat in der Vergangenheit die Frage gesorgt, unter welchen Umständen Betriebsratstätigkeit „außerhalb“ der Arbeitszeit durchgeführt wird.

So auch im zu Grunde liegenden Verfahren, in dem das BAG über den Freizeitausgleichsanspruch eines Betriebsratsmitglied zu entscheiden hatte, der in Wechselschicht arbeitete und während seiner Freischicht an einer Betriebsratssitzung teilnahm, die insgesamt 7 Stunden und 18 Minuten dauerte. Die beklagte Arbeitgeberin hatte das Betriebsratsmitglied bereits in der Nachtschicht in der Woche zuvor unter Fortzahlung der Vergütung für 8 Stunden von der Arbeit freigestellt. Unabhängig davon verlangte das Betriebsratsmitglied eine weitere Freistellung bzw. Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto in Höhe von 7 Stunden und 18 Minuten.

Bisherige Rechtsprechung

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG lag eine Betriebsratstätigkeit „außerhalb“ der Arbeitszeit nur dann vor, wenn sie zusätzlich zu der vertraglichen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds geleistet wurde. Da im streitgegenständlichen Verfahren der Kläger bereits zuvor im Hinblick auf die anstehende Betriebsratssitzung für 8 Stunden freigestellt war, hätte der Kläger nach der nunmehr veralteten Rechtsprechung des BAG konsequenterweise keinen Freistellungsanspruch gehabt.

Neue Rechtsprechung

Hieran hält das BAG nicht fest. Nach neuer Rechtsprechung kommt es für die Bestimmung, ob Betriebsratstätigkeit „außerhalb“ der Arbeitszeit durchgeführt wird, ausschließlich darauf an, ob die Betriebsratstätigkeit zu einer Zeit zu leisten sei, zu der das Betriebsratsmitglied keine Arbeitsleistung zu erbringen habe.

Dies folgt nach Ansicht des BAG bereits aus dem Wortlaut des § 37 Abs. 3 BetrVG. Die Präposition „außerhalb“ beschreibe ein räumlich oder bereichsmäßig abgegrenztes Verhältnis zu einem bestimmten Bezugspunkt. Dies deute darauf hin, dass lediglich die zeitliche Lage außerhalb der festgelegten Arbeitszeit entscheidend sei, nicht aber, ob durch die erbrachte Arbeitsleistung und die Betriebsratstätigkeit der vertraglich geschuldete Umfang der Arbeitszeit überschritten werde und die Betriebsratstätigkeit darüber hinaus geleistet werde. Dieses Ergebnis stimme auch mit Sinn und Zweck der Regelung überein, wonach die Norm dazu diene, Betriebsratsmitglieder davor zu schützen, einen Verlust persönlicher Freizeit zu erleiden, da sie die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen nicht während ihrer Arbeitszeit ausüben könnten.

Ferner stellt das BAG auf praktische Erwägungen ab und erklärt, dass bei einem anderen (alten) Verständnis unklar bleibe, auf welchen Zeitraum bei der Ermittlung der zusätzlichen Arbeitszeit abzustellen sei.

Den Umstand, dass der Kläger im streitgegenständlichen Fall bereits zuvor mit Blick auf die Betriebsratstätigkeit freigestellt wurde, erachtete das BAG als unschädlich.

Folgen

Die Entscheidung beseitigt Unklarheiten im Hinblick auf die Frage, wann Betriebsratstätigkeiten „außerhalb“ der Arbeitszeit erbracht werden zulasten des Arbeitgebers. Mit Blick auf die neue Rechtsprechung sollte zukünftig davon abgesehen werden, einen Freizeitausgleich vor der eigentlichen Betriebsratstätigkeit zu gewähren. Ein Hintertürchen ließ das BAG jedoch offen. Eine Voraberfüllung des Freizeitausgleichs ist dann weiterhin möglich, wenn eine entsprechende Anrechnungs- bzw. Vorauserfüllungsabrede getroffen wird.