Nachträgliche Unterrichtung des Betriebsrates zur personellen Einzelmaßnahme

Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass eine nachträgliche und erstmalige Unterrichtung des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 BetrVG über eine bereits tatsächlich durchgeführte Einstellung auch während eines Verfahrens nach § 101 Satz 1 BetrVG rechtlich zulässig sein kann, ohne dass eine bereits vorgenommene Einstellung vor der nachträglichen Unterrichtung aufgehoben werden muss (LAG Düsseldorf 20.12.2016, Az. 14 TaBV 57/16).

Der Fall:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer Einstellung als personelle Einzelmaßnahme. Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin unterrichtete den zu 1. beteiligten örtlichen Betriebsrat am 20.08.2015 über die beabsichtigte Einstellung eines Branch Managers gemäß § 105 BetrVG., Da die beteiligte Arbeitgeberin der Ansicht war, dass es sich bei der vakanten Position um die eines leitenden Angestellten handele; erfolgte die anfängliche Unterrichtung nach § 105 BetrVG. Am 01.10.2015 führte die Arbeitgeberin die Einstellung durch.

Der Betriebsrat hingegen sah in dem Verhalten des Arbeitgebers seine Mitbestimmungsrechte nach § 99 Abs. 1 BetrVG verletzt. Er begehrte mittels Antrag beim Arbeitsgericht Essen die Aufhebung der Einstellung des Branch Managers. Nachdem der Gütetermin stattgefunden hatte, hörte die beteiligte Arbeitgeberin den Betriebsrat am 22.02.2016 ausdrücklich „vorsorglich“ und „rückwirkend“ zur beabsichtigten Einstellung eines Mitarbeiters auf der Position des Branch Managers an. Die Arbeitgeberin stellte klar, dass sie weiterhin der Auffassung sei, dass ein Branch Manager leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG sei. Daher sei die Unterrichtung vom 20.08.2015 bereits ordnungsgemäß erfolgt. Weil der Betriebsrat jedoch die Ansicht vertrete, dass ein Branch Manager kein leitender Angestellter im vorgenannten Sinne sei, erfolge nunmehr auch eine vorsorgliche und rückwirkende Unterrichtung nach § 99 Abs.1 BetrVG.

Auf dieses Unterrichtungsschreiben antwortete der Betriebsrat fristgerecht im Sinne des § 99 Abs. 3 BetrVG und verweigerte die Zustimmung zur bereits durchgeführten Einstellung mit der sinngemäßen Begründung, dass eine rein vorsorgliche Unterrichtung nach § 99 Abs.1 BetrVG nicht möglich sei und insbesondere, dass § 99 BetrVG eine nachträgliche Unterrichtung zu einer personellen Einzelmaßnahme nicht kenne. Konkrete Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG nannte der Betriebsrat nicht und deutete diese auch nicht an.

Das Arbeitsgericht Essen sah das Begehren des antragstellenden Betriebsrats als zulässig und begründet an und gab der beteiligten Arbeitgeberin mit Beschluss daher auf, die Einstellung des Branch Managers aufzuheben. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht Essen aus, dass der eingestellte Branch Manager kein leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG sei und eine nachträgliche Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG nach der tatsächlichen Einstellung nicht mehr erfolgen könne.

Die Entscheidung:

Die gegen den Beschluss des ArbG Essen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2. hatte Erfolg. Die 14. Kammer des LAG Düsseldorf änderte den v.g. Beschluss ab und wies den Antrag des Betriebsrates zurück.

Das LAG Düsseldorf führte aus, dass es dahinstehen könne, ob der eingestellte Mitarbeiter leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sei, da die Arbeitgeberin den Betriebsrat jedenfalls am 22.02.2016 wirksam nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterrichtet habe und die vom Betriebsrat am 25.02.2016 aufgeführten Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG unbeachtlich seien.

In seiner Ausgangsüberlegung geht das LAG Düsseldorf davon aus, dass die Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG und § 101 BetrVG die Frage behandeln, ob eine personelle Maßnahme (hier: Einstellung des Branch Managers) gegenwärtig und zukünftig zulässig ist. Verfahrensgegenstand ist dagegen nicht, ob die Maßnahme im Zeitpunkt der Antragstellung oder zu einem früheren Zeitpunkt zulässig war. Maßgeblich für die Begründetheit des Antrages ist daher grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht (BAG 25.01.2005, Az. 1 ABR 61/03). Aus diesem Verständnis folge, dass der Arbeitgeber eventuelle Beteiligungsmängel bis zum Schluss der mündlichen Anhörung beseitigen könne. So ist für das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG auch anerkannt, dass der Arbeitgeber bis zu diesem Zeitpunkt eine unzureichende Unterrichtung des Betriebsrates ergänzen kann (BAG 29.06.2011, Az. 6 ABR 24/10; BAG 22.04.2010, Az. 2 AZR 491/09). Nichts anderes gelte daher, wenn der Arbeitgeber – etwa aufgrund der Verkennung des Vorliegens des Mitbestimmungsrechtes nach § 99 BetrVG – eine personelle Maßnahme ganz ohne Beteiligung des Betriebsrates durchgeführt hat. Eine faktisch rechtswidrige Durchführung der Maßnahme in der Vergangenheit hindere den Arbeitgeber daher aufgrund des zukunftsgerichteten Charakters des Verfahrens nach § 99 BetrVG nicht daran, die Maßnahme zukünftig auf betriebsverfassungsrechtlich ordnungsgemäßer Grundlage durchzuführen.

Auch einer „vorherigen Aufgabe“ der Rechtsansicht der Arbeitgeberin, dass die zu besetzende Position eine Position eines leitenden Angestellten im Sinne des BetrVG sei, müsse nicht erfolgen.

Gleichsam verneinte das LAG Düsseldorf auch das Erfordernis einer vorherigen Aufhebung der Einstellung. Zur Begründung verwies es abermals auf die bereits oben genannte Rechtsprechung des BAG, welche es erlaube, eine Unterrichtung zu einer personellen Maßnahme nach § 99 Abs. 1 BetrVG noch bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz zu ergänzen. Die Aufhebung der Einstellung wäre nur eine „symbolische Geste“ bzw. die Dokumentation des Unrechtsbewusstseins des Arbeitgebers hinsichtlich seines Verhaltens in der Vergangenheit. Die Einhaltung der Formalien der Mitbestimmungsvorschriften des BetrVG habe keinen Selbstzweck, die Mitbestimmung soll vielmehr eine ausgewogene Beteiligung der Arbeitnehmerinteressen an dem unternehmerischen Handeln der Arbeitgeberin gewährleisten und sicherstellen (anders: LAG Bremen 20.07.2005, Az. 2 TaBV 4/05, s.u.).

Fazit:

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf enthält durchweg positive Aussagen für Arbeitgeber. Nicht zu vernachlässigen ist die Feststellung des LAG Düsseldorf, dass, soweit dies vom Arbeitgeber deutlich zum Ausdruck gebracht wird, eine bloß vorsorgliche Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 BetrVG möglich ist. Der Arbeitgeber ist nicht gezwungen, lediglich eine Rechtsansicht mitzuteilen. Ferner führt das LAG Düsseldorf aus, dass eine nachträgliche Unterrichtung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG erst im gerichtlichen Verfahren erfolgen kann, selbst wenn eine Unterrichtung überhaupt nicht stattgefunden hat und die tatsächliche Einstellung bereits mehrere Monate zurückliegt.

Dem Ergebnis und der Argumentation des LAG Düsseldorf ist zuzustimmen. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bedürfen im konkreten Fall keiner weiteren Absicherung, da es dem Betriebsrat bezüglich jeder Ergänzung und/oder neuen Unterrichtung offensteht, die Zustimmung erneut zu verweigern. Würde man vom Arbeitgeber verlangen, die Einstellung aufzuheben, würde dies bloß eine unnötige Förmelei bedeuten.

Das LAG Düsseldorf hat richtigerweise festgestellt, dass seine Entscheidung in einer entscheidungserheblichen Frage von der Entscheidung des LAG Bremen vom 20.07.2005, Az. 2 TaBV 4/05, abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Das LAG Bremen hatte in einem ähnlichen Sachverhalt (hier war allerdings bereits eine rechtskräftige Entscheidung zur Aufhebung einer personellen Einzelmaßnahme ergangen) gegenteilig entschieden.

Das LAG Düsseldorf hat daher die Rechtsbeschwerde ausdrücklich zugelassen. Der Betriebsrat hat Rechtsbeschwerde unter dem Aktenzeichen 7 ABR 16/17 beim Bundesarbeitsgericht eingereicht. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bleibt abzuwarten.

Quellen:

LAG Düsseldorf, 20.12.2016, Az. 14 TaBV 57/16

LAG Bremen, 20.07.2005, Az. 2 TaBV 4/05