LAG Köln: Unterschreitung des Schwellenwerts führt zum Ende der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung

Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung endet, wenn der Schwellenwert gemäß § 177 Abs. 1 SGB IX, d. h. fünf schwerbehinderte bzw. diesen gleichgestellte Mitarbeiter, unterschritten wird. Der für den Betriebsrat geltende Grundsatz, nach dem beim Absinken unter den Schwellenwert die Amtszeit endet, ist auf die Schwerbehindertenvertretung übertragbar. Das hat das LAG in seinem Beschluss vom 10.03.2021 – 20 BV 134/20 entschieden.

Der Fall

Die Beteiligten stritten über die Fortdauer der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung.

Die an dem Rechtsstreit beteiligte Arbeitgeberin betrieb u. a. in Köln einen Betrieb mit ca. 120 Mitarbeitern. Der Antragsteller war in diesem Betrieb die gewählte Vertrauensperson der Schwerbehinderten. Zuvor wurden die Interessen der Schwerbehinderten aus dem Betrieb in Köln durch die Schwerbehindertenvertretung in Langen vertreten.

Zum 01.08.2020 sank die Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten und diesen Gleichgestellten in Köln unter die Anzahl von fünf auf vier ab. Mit Schreiben vom 10.08.2020 teilte die Arbeitgeberin dem Antragsteller als der bis dahin amtierenden Schwerbehindertenvertretung daher mit, dass aus ihrer Sicht eine Schwerbehindertenvertretung nicht mehr existiere. Die übrigen schwerbehinderten Beschäftigten würden zukünftig wieder von der Schwerbehindertenvertretung in ihrem anderen Betrieb in Langen betreut.

Dagegen wehrte sich der Antragsteller im Beschlussverfahren u. a. mit der Begründung, dass eine Vor- und Rückschau bei der Ermittlung des Schwellenwerts im Schwerbehindertenrecht nicht stattfinden könne, da andernfalls bei einem knappen Überschreiten des Schwellenwerts dies zu einer ständigen Unsicherheit darüber führen würde, ob die Amtszeit – ohne einen weiteren Akt – ende. Die Gründe für eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit seien in § 177 Abs. 7 SGB IX abschließend geregelt. Es sei auch datenschutzrechtlich höchst problematisch, wenn die Schwerbehindertenvertretung dem Arbeitgeber gegenüber zur Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten rechenschaftspflichtig sei.

Das Arbeitsgericht Köln gab der Arbeitgeberin Recht und wies den Antrag des Antragstellers, festzustellen, dass die Amtszeit des Antragstellers nicht am 01.08.2020 aufgrund des Herabsinkens der Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter im Betrieb der Arbeitgeberin unter fünf beendet ist, ab. Hiergegen wendete sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde vor dem Landesarbeitsgericht Köln.

Die Entscheidung

Die Beschwerde blieb ohne Erfolg. Zwar sei eine ausdrückliche Regelung zu den Auswirkungen des Unterschreitens des Schwellenwerts im Gesetz nicht enthalten. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergebe sich im Wege der Auslegung jedoch eine Parallelität zwischen Betriebsverfassungsrecht und Schwerbehindertenvertretungsrecht. Damit sei der im Betriebsverfassungsrecht geltende Grundsatz, dass das Amt des Betriebsrats endet, wenn die Zahl der in der Regel ständig beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend die vorgeschriebene Mindestanzahl von fünf Arbeitnehmern unterschreitet und deshalb der Betrieb nicht mehr betriebsratsfähig ist, auch auf die Schwerbehindertenvertretung übertragbar.

Auch eine fehlende Offenbarung der zu vertretenden schwerbehinderten Menschen und diesen Gleichgestellten spreche nicht gegen eine Übertragbarkeit dieses Grundsatzes. Denn dieses Thema stelle sich schon bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung. Ohne die entsprechenden Mitteilungen werde es nicht zu einer Wahl kommen.

Fazit

Die Argumentation des Landesarbeitsgerichts Köln ist meines Erachtens überzeugend. Für den Fall, dass die Zahl der Beschäftigten insgesamt voraussichtlich dauerhaft auf unter fünf Personen sinkt, hat bereits das LAG Niedersachsen mit Beschluss vom 20.8.2008 – 15 TaBV 145/07 – entschieden, dass die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung ende. Jedenfalls in dem wie hier vorliegenden Fall, dass eine Gesamtschwerbehindertenvertretung gebildet ist, besteht auch ohne die Existenz einer örtlichen Schwerbehindertenvertretung kein vertretungsloser Zustand. Der Gesetzgeber hat im Übrigen mit der Einführung eines Schwellenwerts bewusst die Entscheidung getroffen, dass nicht jeder Betrieb mitbestimmt sein soll, sondern nur solche, bei denen eine gewisse Mindestgröße bzw. eine Mindestanzahl an schwerbehinderten Beschäftigten und diesen Gleichgestellten gegeben ist. Die Eingliederung schwerbehinderter Menschen wird gem. § 176 SGB IX auch durch die anderen Vertretungen der Arbeitnehmer wahrgenommen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen und diese ist bereits vor dem Bundesarbeitsgericht anhängig, sodass das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen ist.