Keine Entgeltfortzahlung für Beschäftigung im Kündigungsschutzprozess, wenn Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 611a BGB nicht besteht

Wer als Arbeitnehmer krank wird, bekommt gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes seinen Lohn trotzdem fortgezahlt. Für Feiertage ist dies in § 2 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes geregelt. Wenn das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt wurde, der Arbeitnehmer aber während des Kündigungsschutzprozesses weiterbeschäftigt wird, gilt die Entgeltfortzahlung indes nur dann, wenn sich die Kündigung im Ergebnis als wirksam erweist und auch ansonsten kein neuer Arbeitsvertrag geschlossen wurde, urteilte das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung am 27.05.2020, Az. 5 AZR 247/19).

Der Fall

In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger seit November 2010 als Schlosser beschäftigt und erhielt am 31.08.2015 zum 30.09.2015 die Kündigung. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage, woraufhin das Arbeitsgericht Iserlohn die Unwirksamkeit der Kündigung feststellte und das Unternehmen verurteilte, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigung zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. Nachdem der Kläger die Weiterbeschäftigung verlangt und Vollstreckungsmaßnahmen angedroht hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie werde ihn zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung weiterbeschäftigen. Der Kläger nahm daraufhin seine Tätigkeit kurzzeitig auf, war jedoch in der Folgezeit zum Großteil arbeitsunfähig krankgeschrieben. Das beklagte Unternehmen vergütete die durch den Kläger geleistete Arbeit, leistete hingegen keine Entgeltfortzahlung für die Tage der Arbeitsunfähigkeit oder für Feiertage. Auf die Berufung des Unternehmens wurde im Wege eines Vergleichs die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zuge der Kündigung vom 31.08.2015 zum 30.09.2015 rechtskräftig festgestellt. Eine Einigung über die Entgeltfortzahlung konnte nicht erzielt werden, sodass der Kläger diesbezüglich erneut klagte.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht wies sie ab. Das BAG bestätigte die Entscheidung des LAG. Aus Sicht des BAG sei der Kläger in der Zeit der Weiterbeschäftigung zwischen der ausgesprochenen Kündigung und des rechtskräftigen Vergleichs nicht als Arbeitnehmer für die Beklagte tätig geworden. Entscheidend sei zur Beurteilung der Arbeitnehmerbegriff aus § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Nach dieser Vorschrift ist das Vorliegen eines Arbeitnehmers dann anzunehmen, wenn sich dessen Verpflichtung zur Arbeitsleistung aus einem Vertrag ergibt. Ein solcher Arbeitsvertrag sei jedoch gerade durch die Kündigung zum 30.09. beendet worden. Es sei auch nicht von der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses durch die Parteien auszugehen. Grundsätzlich sei es zwar möglich, auch während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses zu vereinbaren, dass ein Arbeitsverhältnis auflösend bedingt oder befristet bis zur rechtskräftigen Entscheidung fortgesetzt werde. Im vorliegenden Fall jedoch habe der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung ausschließlich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung bzw. zur Erfüllung seiner Pflicht aus dem vorläufig vollstreckbaren Titel gewährt. Daraus lasse sich aber nicht schließen, dass er einen neuen Arbeitsvertrag abschließen wollte. Die Abwicklung richtet sich daher dem BAG zufolge nicht nach vertraglichen, sondern nach bereicherungsrechtlichen Regelungen, die eine Entgeltfortzahlung nicht kennen. Vielmehr geht es um die Frage, ob der Arbeitgeber etwas erlangt hat, wofür er Wertersatz in Höhe des Arbeitslohns zu leisten hat. In diesem Fall hatte der Arbeitgeber in den Tagen der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und an den Feiertagen allerdings nichts erlangt und musste daher auch nichts herausgeben bzw. Wertersatz leisten.

Fazit und Praxishinweis

Die vorgenannte Entscheidung des BAG reiht sich in die Linie des BAG, begründet durch sein Urteil vom 10.03.1987, Az. 8 AZR 146/84, ein. In diesem Urteil wurde nämlich bereits entschieden, dass sich Vergütungsansprüche im Rahmen eines Prozessverhältnisses nach Bereicherungsrecht richten.

Es gilt somit weiterhin, dass Arbeitgeber bei der Prozessbeschäftigung unmissverständlich deutlich machen sollten, dass die Beschäftigung ausschließlich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung erfolgt und trotz Weiterbeschäftigung unverändert an der ausgesprochenen Kündigung festgehalten wird.

Rechtsanwältin Johanna Ewig
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