Keine Beschäftigungspflicht für ungeimpfte Pflegekräfte – Jetzt auch in LAG-Instanz bestätigt!

Die Betreiberin eines Seniorenheims muss Mitarbeiter, die nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft sind, nicht weiter beschäftigen. Das LAG Hessen hat die Eilanträge von zwei ungeimpften Pflegekräften mit Urteilen vom 11.08.2022 abgewiesen (5 SaGa 728/22; 7 SaGa 729/22). Wir hatten bereits über die vorinstanzlichen Entscheidungen des ArbG Gießen vom 12.04.2022 (5 Ga 1/22; 5 GA 2/22) berichtet.

Der Fall

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer Freistellung.

Die Antragsteller begehrten ihre vertragsgemäße Beschäftigung in einem Seniorenheim. Beide Antragsteller stehen in ungekündigten Arbeitsverhältnissen zur Antragsgegnerin und sind nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft. Die Betreiberin des Seniorenheims hatte die beiden Arbeitnehmer mit Wirkung ab dem 16.03.2022, ohne Fortzahlung der Vergütung, freigestellt. Dies begründete sie mit der seit 15.03.2022 bestehenden Pflicht nach § 20a IfSG, wonach Personen, die in Einrichtungen zur Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen arbeiten, über einen Impfnachweis oder beispielsweise einen Genesenennachweis verfügen müssen. Hiergegen hatten die beiden Mitarbeiter in Eilverfahren bei dem Arbeitsgericht Gießen (wir berichteten über diese Entscheidungen) erfolglos geklagt.

Die Entscheidung

Das LAG Hessen hat diese Urteile nun bestätigt. Die Arbeitnehmer hätten keinen Anspruch darauf, in ihrem Arbeitsverhältnis beschäftigt zu werden. Der erforderliche Impfnachweis wirke wie eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung. Bei der Abwägung der Interessen habe die Arbeitgeberin die Mitarbeiter freistellen dürfen. Das schützenswerte Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims, vor einer Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Lebens bewahrt zu werden, überwiege das Interesse der Pflegekräfte, ihre Tätigkeit ausüben zu können.

Das Fazit

Die Entscheidung (für die bisher lediglich die Pressemitteilung vorliegt) bestätigt die bisherige „Richtung“ der Gerichte bzgl. der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nach § 20a IfSG. Dem Gesundheitsschutz wird ein höheres Gewicht als dem individuellen Beschäftigungsinteresse zugemessen. Dieses Abwägungsergebnis war auch in anderen coronaspezifischen Rechtsfragen regelmäßig die Feststellung der Arbeitsgerichte.

Die Entscheidungen zeigen letztlich auf, dass Arbeitgebern zumindest die Möglichkeit der Freistellung zur Verfügung steht, soweit Pflegekräfte (bzw. alle Arbeitnehmer, welche von § 20a IfSG betroffen sind) sich nicht impfen lassen wollen. Das Gericht bestätigt damit die Begründungen des Gesetzgebers im Rahmen von § 20a IfSG und bestätigt den gewünschten Gesetzeszweck: Der erforderliche Impfnachweis wirkt wie eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung. Kann dieser nicht vorgezeigt werden, kann der Arbeitnehmer seiner Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag nicht mehr nachkommen.

Zu beachten ist aber, dass der Pressemitteilung nicht zu entnehmen ist, inwieweit sich das LAG Hessen mit der Frage beschäftigt hat, ob die Vergütung für die Zeit der Freistellung fortzuzahlen ist. Da das LAG Hessen jedoch ausdrücklich ausführt, dass der Impfnachweis wie eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung wirke, könnte angenommen werden, dass die Beschäftigten, die den durch das Gesetz geforderten Impf- oder Genesenennachweis nicht erbracht haben, keinen Anspruch auf Vergütung haben.

Es bleibt jedenfalls dabei: Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitssektor, die sich nicht impfen lassen möchten, darf der Arbeitgeber freistellen! Ob dies auch unentgeltlich erfolgen darf, ist leider weiterhin nicht ausdrücklich festgestellt worden. Es sind diesbezüglich die Entscheidungsgründe des LAG Hessen abzuwarten.

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Stephan Hinseln

Stephan Hinseln

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