Keine Arbeitnehmereigenschaft beim Crowdworking

Im vergangenen Jahr haben sich erstmals zwei Landesarbeitsgerichte (LAG Hessen, Beschluss vom 14.02.2019 – 10 Ta 350/18 und LAG München, Urteil vom 04.12.2019 – 8 Sa 146/19) mit der Frage beschäftigt, ob beim sog. Crowdworking – einer neuen digitalen Beschäftigungsform – ein Arbeitsverhältnis begründet wird.

Hintergrund

Der Begriff des Crowdworking bezeichnet die Vergabe bzw. Auslagerung von bestimmten Arbeitsaufgaben durch ein Unternehmen an eine nicht näher definierte Anzahl von Personen. Auftragsannahme und Bearbeitung erfolgen in der Regel nach Aufruf seitens des Unternehmens durch die einzelnen Benutzer, die Crowdworker, über eine Internetplattform.

Im Gegensatz zum internen Crowdworking, bei dem die Aufgaben über eine unternehmensinterne Plattform an die Arbeitnehmer des Unternehmens vermittelt werden, wird beim externen Crowdworking die Aufgabenwahrnehmung über eine öffentliche Plattform an eine unbestimmte Zahl von betriebsfremden Dritten ausgelagert. Im Rahmen letztgenannter Erscheinungsform kann weiter danach unterschieden werden, ob Crowdworker und Auftraggeber in einem direkten Vertragsverhältnis zueinander stehen oder ob sie jeweils einen Vertrag mit dem Betreiber der Plattform abgeschlossen haben.

Beim externen Crowdworking stellt sich die Frage, ob die einzelnen Crowdworker statusrechtlich als Arbeitnehmer oder Selbstständige zu qualifizieren sind.

Die Fälle

Das LAG Hessen hatte in diesem Zusammenhang darüber zu entscheiden, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die Klage eines Busfahrers, der ohne eigenes Fahrzeug für ein Busunternehmen eine Busreise durchgeführt hatte, eröffnet ist.

Konkret stellte der Kläger, der über keinen eigenen Bus verfügt, auf der Internetseite eines Vermittlungsunternehmens seine persönlichen Fahrerinformationen zur Verfügung und bewarb sich als selbstständiger Fahrer. Nachdem er sodann von dem beklagten Busunternehmen einmalig zu einer Fahrt, bei welcher sowohl Arbeitszeiten als auch Fahrtweg durch die Beklagte vorgegeben waren, eingesetzt wurde, klagte er auf Auszahlung seines Honorars vor dem Arbeitsgericht.

Sowohl das Arbeitsgericht Fulda als auch das Landesarbeitsgericht Hessen verneinten die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers und somit auch die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten.

Im zweiten Fall stellte das Landesarbeitsgericht München fest, dass die Vereinbarung eines Crowdworkers mit dem Betreiber einer Internetplattform, ohne die Verpflichtung zur Übernahme von Aufträgen, kein Arbeitsverhältnis begründet.

Die Beklagte in diesem Rechtsstreit führt unter anderem Kontrollen der Warenpräsentation im Einzelhandel sowie in Tankstellen durch. Die Vergabe der einzelnen Aufträge erfolgt über eine Crowd. Grundlage für die Tätigkeit bildet eine Basisvereinbarung, die zur Übernahme der auf einer Internetplattform angebotenen Aufträge mittels App innerhalb eines selbstgewählten Radius berechtigt. In der Regel ist ein übernommener Auftrag binnen zwei Stunden anhand der Vorgaben der Beklagten durch den Crowdworker zu erledigen.

Auch der Umstand, dass der Kläger einen erheblichen Teil seines Lebensunterhalts durch die Aufträge der Beklagten verdiente und in der Vergangenheit insgesamt über 3.000 Aufträge angenommen und erledigt hatte, rechtfertige laut LAG München nicht die Annahme des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses.

Während das LAG Hessen die Arbeitnehmereigenschaft in erster Linie verneinte, weil sich der Kläger als selbstständiger Fahrer ausgab und er aufgrund des erstmaligen und einmaligen Kontaktes mit der Beklagten nicht als in den Geschäftsbetrieb der Beklagten eingegliedert anzusehen war, stellt das LAG München hauptsächlich auf die zwischen den Parteien abgeschlossene Basisvereinbarung ab, die weder für den Kläger noch für die Beklagte eine Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen enthielt.

Die Revision wurde jeweils wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, sodass mit einer Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht zu rechnen ist.

Fazit

Im Zuge fortschreitender Digitalisierung und Internationalisierung der Arbeitswelt entstehen immer neue Beschäftigungsformen und -praktiken. Hierzu gehören neben dem dargestellten Fall des Crowdworking beispielsweise auch Erscheinungen wie das alternative Arbeitsmodell des Job-Sharing, bei dem sich ein oder mehrere Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz teilen, agile Arbeitsmethoden (agile working) wie Scrum, bei dem ein regelmäßig umfangreicher Prozess in kleine Einheiten aufgeteilt wird und somit innerhalb kürzester Zeit bereits Zwischenergebnisse herbeigeführt werden können, oder auch die Einrichtung von Coworking Spaces, bei denen sich mehrere Menschen einen zeitlich flexiblen Arbeitsplatz teilen und entweder für eigene oder gemeinsame Projekte arbeiten.

Diese modernen Erscheinungen der Arbeitswelt lassen sich grundsätzlich anhand der klassischen arbeitsrechtlichen Regelungen beurteilen. Dies zeigt sich insbesondere an den beiden benannten Entscheidungen zum Crowdworking, bei denen die Richter im Rahmen der Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, auf die allgemeinen Kriterien des § 611a Abs. 1 BGB zurückgriffen. Insbesondere wird die Definition eines neuen bzw. modifizierten Arbeitnehmerbegriffs von den Landesarbeitsgerichten für nicht für erforderlich gehalten. Besondere Bedeutung kommt jedoch auch hier der Bewertung der Umstände des konkreten Einzelfalls sowie der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses zu.

Rechtsanwältin Stefanie Stanka
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