Kein klagbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf die Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 08.10.2020 (5 Sa 117/20) entschieden, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers, bei Vorliegen der Voraussetzungen ein BEM durchzuführen, keinen klagbaren Anspruch des Arbeitnehmers darstellt.

Der Fall

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung des BEM.

Der klagende Arbeitnehmer ist bei der Beklagten seit dem 03.07.2000 als Arbeiter beschäftigt. Bei einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 ist der Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Im Jahr 2018 war der Kläger an insgesamt 122 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, in der Zeit vom 01.01.2019 bis 25.08.2019 an 86 Tagen. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 02.08.2019 ließ der Kläger die Durchführung eines BEM beantragen. Dieser Antrag wurde seitens der Beklagten jedoch abgelehnt. Der Kläger erhob sodann Klage beim Arbeitsgericht. Er vertritt die Auffassung, er habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Durchführung des BEM gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX.

Die Entscheidung

Während das erstinstanzlich zuständige Arbeitsgericht Würzburg – Kammer Aschaffenburg – der Klage noch stattgab, wies das Landesarbeitsgericht Nürnberg die Klage ab.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergebe sich nicht bereits direkt aus § 167 Abs. 2 SGB IX. Dieser Vorschrift sei zwar zu entnehmen, dass eine Rechtsverpflichtung des Arbeitgebers existiere, die Rechtsnorm sehe jedoch keinerlei Rechtsfolgen für den Fall des Nichtnachkommens der Verpflichtung vor. Eine solche ergebe sich auch nicht aus der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB. Bei den Regelungen des § 167 SGB IX handele es sich um eine Verfahrensverpflichtung des Arbeitgebers, die im Falle der Missachtung im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens oder beim Streit über den Inhalt des Weisungsrechts des Arbeitgebers durch den betroffenen Arbeitnehmer thematisiert werden könne. Darüber hinaus kämen auch Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers nach § 280 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB in Betracht.

Praxishinweis

Die vorgenannte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg stellt klar, dass die Durchführung des BEM nicht durch den Arbeitnehmer einklagbar ist. Auf die Verletzung der aus § 167 Abs. 2 SGB IX resultierenden Verpflichtung des Arbeitgebers kann somit lediglich inzident im Rahmen der Geltendmachung eines anderen Anspruchs oder Rechts eingegangen werden. Daneben bestehen möglicherweise noch Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers.

Im Hinblick auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13.11.2014 – 15 Sa 979/14 –, welches das Bestehen eines Individualanspruchs des Arbeitnehmers auf Durchführung eines BEM nach § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. 84 Abs. 2 SGB IX (nunmehr § 167 Abs. 2 SGB IX) noch bejahte, wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht jedoch zugelassen.