Kein Einsichts- und Auswertungsrecht des Betriebsrats in Entgeltlisten, wenn Arbeitgeber Aufgabe erfüllt

Der Betriebsrat ist nicht per se berechtigt, zum Zwecke der Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern nach § 13 Abs. 1, 2 EntgTranspG Einsicht in die Bruttoentgeltlisten zu nehmen und diese auszuwerten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nunmehr durch Beschluss vom 28. Juli 2020 (BAG v. 28.07.2020 - 1 ABR 6/19) entschieden, dass dieses Recht nicht unbeschränkt besteht, sondern vielmehr an ein konkretes Auskunftsbegehren eines Beschäftigten gebunden ist und weiter voraussetzt, dass nicht bereits der Arbeitgeber selbst dem Arbeitnehmer Auskunft erteilt hat.

Der Fall

Die Arbeitgeberin, ein Telekommunikationsunternehmen mit mehr als 200 Angestellten, übernahm nach Inkrafttreten des EntgTranspG die Verpflichtung zur Erfüllung von Auskunftsverlangen der Beschäftigten. Über die von Beschäftigten geltend gemachten Auskunftsverlangen informierte die Arbeitgeberin entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung den Betriebsrat und gewährte diesem Einblick in spezifisch aufbereitete Bruttoentgeltlisten. Der Betriebsrat verlangte darüber hinaus unter Berufung auf § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG die Überlassung der Listen in bestimmten elektronischen Dateiformaten zur Auswertung, weil er andernfalls seiner Verpflichtung zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frau und Mann nicht ausreichend nachkommen könne.

Die Entscheidung

Der klagende Betriebsrat blieb in allen Instanzen erfolglos.

Der vom Betriebsrat geltend gemachte Anspruch auf physische Überlassung der Bruttoentgeltlisten, z. B. als Kopie oder elektronische Datei, wurde erstinstanzlich sowie im Rahmen der Berufung mit der Begründung abgelehnt, dass es für diesen Anspruch im Gesetzeswortlaut des EntgTranspG keinen Anhaltspunkt gibt. Der Betriebsrat könne auch durch bloßes Sichten der Listen seine Rechte in ausreichendem Maße ausüben und seinen Verpflichtungen gerecht werden.

Das BAG ging einen anderen Weg und lehnte nicht nur den Anspruch des Betriebsrats auf Überlassung der Bruttoentgeltlisten unter dem Hinweis auf die Erforderlichkeit eines individuellen Auskunftsverlangens eines Arbeitnehmers ab, sondern auch das Einsichts- und Auswertungsrecht nach § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG. Der Erste Senat ist der Auffassung, das Einsichts- und Auswertungsrecht des Betriebsrats korrespondiere mit der dem Betriebsrat grundsätzlich zugewiesenen Aufgabe, Auskunftsverlangen der Arbeitnehmer zu beantworten. Macht der Arbeitgeber jedoch von seinem gesetzlichen Recht auf Übernahme dieser Verpflichtung Gebrauch und erfüllt die Auskunftsbegehren selbst, besteht kein Bedürfnis des Betriebsrats mehr auf Einsicht oder Auswertung der Listen oder gar auf Überlassung dieser.

Fazit

Die Entscheidung, von der bislang nur die Pressemitteilung vorliegt, ist zu begrüßen, weil sie die Regelungen des EntgTranspG, insbesondere §§ 14 Abs. 2 Satz 3, 15 Abs. 2 EntgTranspG, konsequent umsetzt. Der Pressemitteilung nicht zu entnehmen und daher bislang noch offen ist die Frage, ob der Betriebsrat einen Anspruch auf physische Überlassung der Bruttoentgeltlisten hat, wenn er für die Beantwortung der Auskunftsverlangen der Arbeitnehmer verantwortlich ist. In dieser Hinsicht erscheint die Argumentation der Vorinstanzen, dass auch eine Einsichtnahme zur Erfüllung der dem Betriebsrat obliegenden Auswertungsverpflichtung ausreichend und somit eine Überlassung nicht erforderlich ist, nachvollziehbar.