Intransparente Ausschlussklausel bei Erfassung auch anerkannter Ansprüche

Eine Forderung, die der Schuldner vorbehaltlos streitlos gestellt oder anerkannt hat bzw. deren Erfüllung er zugesagt hat, muss vom Gläubiger nicht innerhalb einer vertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht werden. Die Obliegenheit zur Geltendmachung lebt auch nicht wieder auf, wenn der Schuldner die Forderung später bestreitet (BAG, Urt. v. 03.12.2019 – 9 AZR 44/19).

Hintergrund

Der Kläger war vom 15. November 2007 bis zum 30. Juni 2017 bei dem Beklagten auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 15. November 2007 als Kraftfahrer beschäftigt. In § 17 des Arbeitsvertrages heißt es zum Thema „Verfallsfristen“:

(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

(2) Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab, oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs dagegen, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Während des Arbeitsverhältnisses erstattete der Beklagte dem Kläger Spesen/Verpflegungsmehraufwendungen auf Grundlage von Spesenberichten, die der Kläger jeweils am Ende eines Monats unterschrieben bei dem Beklagten abgab. Die Erstattung erfolgte häufig mit mehreren Monaten Verspätung, in zahlreichen Fällen erst mehr als drei Monate nach Fälligkeit. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 2017 waren für die Monate März, August und Dezember 2016 sowie Februar bis Juni 2017 Spesen i. H. v. insgesamt 1.704,00 Euro offen, deren Erstattung der Kläger jeweils am Ende des Kalendermonats durch Vorlage unterschriebener Spesenberichte vom Beklagten verlangt hatte.

Aufgrund der Firmenauflösung des Beklagten zum 30. Juni 2017 teilte dieser dem Kläger mit, dass die noch nicht ausgezahlten Spesen i. H. v. insgesamt 1.704,00 Euro bei der nächsten Steuererklärung „mit erstattet“ werden würden. Sie wurden jedoch nicht vom Finanzamt erstattet, so dass der Kläger im Januar 2018 den Beklagten erneut aufforderte, die offenen Spesen zu zahlen. Dies lehnte der Beklagte jedoch ab. Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Zahlung der Spesen stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie dagegen abgewiesen.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Klageforderungen nicht nach § 17 Abs. 2 des Arbeitsvertrages verfallen sind. Die zweite Stufe einer vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellten Ausschlussfristenregelung ist intransparent, wenn sie – ausgehend von dem bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen i. S. v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB anzuwendenden abstrakt-generellen Prüfungsmaßstab – dem verständigen Arbeitnehmer suggeriert, er müsse den Anspruch ausnahmslos innerhalb der vorgesehenen Ausschlussfrist auch dann gerichtlich geltend machen, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung des Anspruchs zugesagt oder den Anspruch anerkannt oder streitlos gestellt hat.

Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Regelung des § 17 Abs. 2 Alt. 2 des Arbeitsvertrags dem Transparenzgebot nicht genüge. Die Klausel stelle die Rechtslage unzutreffend und deshalb irreführend dar, indem sie die Fälle, in denen der Arbeitgeber die Erfüllung des Anspruchs zugesagt oder den Anspruch anerkannt oder streitlos gestellt hat, aus ihrem Anwendungsbereich nicht ausnimmt und damit vom Anspruchsteller ausnahmslos verlangt, den Anspruch zur Vermeidung seines Verfalls gerichtlich geltend zu machen.

§ 17 Abs. 2 des Arbeitsvertrags knüpfe gerade nicht daran an, dass sich der Anspruchsgegner innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs „nicht erklärt“, sondern verlangt mit seiner zweiten Alternative eine gerichtliche Geltendmachung innerhalb von drei Monaten nach Fristablauf dann, wenn sich der Anspruchsgegner „nicht … dagegen“ erklärt. Die Klausel sei damit weiter gefasst als eine Ausschlussfristenregelung, die in ihrer zweiten Stufe auf eine Nichterklärung, d. h. das Schweigen des Anspruchsgegners abstelle. § 17 Abs. 2 Alt. 2 des Arbeitsvertrags begründe daher eine Klageobliegenheit nicht nur, wenn der Arbeitgeber als Anspruchsgegner nach erfolgter Geltendmachung schweigt.

Fazit

Mit seiner Entscheidung verdeutlicht das Bundesarbeitsgericht erneut, dass vertragliche Ausschlussfristen bereits durch die Anerkennung von Ansprüchen gewahrt werden und verschärft zugleich die rechtlichen Anforderungen an die Wirksamkeit entsprechender Vertragsregelungen.